Der Schatz von Blackhope Hall
Mylord?"
"Das wüsste ich sehr zu schätzen, Madame", beteuerte Großonkel Bellard.
Blicklos starrte das Medium vor sich hin. "Nun – ich bin mir nicht sicher …"
"Oh ja, bitte!" flehte Lady St. Leger.
"Wenn ich an Mr. Babingtons Zustand denke … äh … wäre das nicht respektlos? Ich habe doch Recht?" Heftig nickte Madame Valenskaya, und ihr Häubchen rutschte über ein Ohr hinab.
"Allerdings", meldete sich Belinda zu Wort. "Ich jedenfalls möchte an keiner Séance teilnehmen. An jenem Abend bin ich fast zu Tode erschrocken."
"Natürlich bestehen wir nicht auf deiner Anwesenheit, Liebes", versicherte ihre Mutter. "Aber wir anderen …"
Entschieden schüttelte Madame Valenskaya den Kopf, ergriff ihr Weinglas und nahm einen großen Schluck. "Da muss ich Miss St. Leger zustimmen, es wäre nicht gut … gar nicht gut."
Olivia beobachtete sie und fragte sich, ob das Medium wieder betrunken war. Während der Mahlzeit hatte die Russin dem Lakaien mehrmals bedeutet, ihr Glas nachzufüllen. Doch der Alkohol schien ihre Nerven nicht zu beruhigen, denn sie spielte unentwegt mit ihrer Gabel oder ihrer Serviette.
"Vielleicht würden wir herausfinden, was Mr. Babington zugestoßen ist", meinte Lady St. Leger. "Ich nehme an, die Geister wissen, warum er sich an jenem Abend so eigenartig verhalten hat. Glauben Sie nicht auch, Madame?"
"Hm … ja, die Geister wissen alles." Mit einer vagen Geste hob Madame Valenskaya ihre Hand. "Trotzdem fürchte ich, heute Abend – ohne Mr. Babington – kann ich die Geister nicht zu uns einladen."
"Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel, Madame." Rafe schenkte ihr ein Lächeln, das Eisberge schmelzen würde. "Seien Sie nicht so bescheiden. Sicher kommen Sie auch ohne Mr. Babingtons Beistand sehr gut zurecht. Sie sind es doch, die jene außerordentlichen Kräfte besitzt."
Offenbar war sie nicht immun gegen den Charme des Südstaatlers. Wie ein junges Mädchen begann sie zu kichern. "Oh, Sie sind zu freundlich, Sir."
Nachdem er sein Interesse bekundet hatte, gesellte sich auch Pamela zu den Bittstellern. "Versuchen Sie es, Madame. Und bedenken Sie – die Geister warten auf Ihren Ruf."
"Zweifellos", beschwor Lady St. Leger das Medium. "Die verlorenen Seelen hoffen auf Ihre Hilfe."
"So ist es", bekräftigte Madame Valenskaya selbstgefällig. "Also gut, Sie haben mich überredet. Halten wir eine Séance ab."
Diesmal ging sie nicht in ihr Zimmer hinauf, bevor sie den kleinen Speiseraum betraten. Olivia hatte den Eindruck, das Medium wolle die Sitzung möglichst schnell hinter sich bringen. Erstaunlicherweise vergaß Madame Valenskaya sogar ihre Abneigung gegen helleres Licht und wies einen Lakaien an, zwei zusätzliche Kandelaber auf den Tisch zu stellen.
Unbehaglich betrachtete Lady St. Leger die brennenden Kerzen. "Wird das Licht die Geister nicht abschrecken, Madame?"
"Oh nein", behauptete Madame Valenskaya mit einer majestätischen Geste. "Sie kommen so oder so zu mir."
Lächelnd erbot sich Rafe, Mr. Babingtons Platz einzunehmen, was das Medium nur zu gern gewährte. Bellard Moreland saß auf Belindas üblichem Stuhl.
Trotz ihres anfänglichen Zögerns entspannte sich Madame Valenskaya. Während sie die Verbindung zum Jenseits suchte, versank sie dramatischer denn je in ihre "Trance". Eine Zeit lang lag ihr Kinn auf der Brust. Dann hob sie den Kopf, die Augen geschlossen.
"Mama", jammerte sie mit heiserer Stimme.
"Roddy?" fragte Lady St. Leger eifrig. "Bist du das?"
"Du musst mir helfen, Mama", fuhr Madame Valenskaya im gleichen klagenden Ton fort. "Uns allen musst du helfen."
"Natürlich, mein Lieber. Was soll ich tun?"
Plötzlich flackerten die Kerzen, und einige Flammen erloschen, als wäre ein Windstoß über sie hinweggeweht. Olivia hatte keine Brise gespürt. Trotzdem war es eiskalt im Zimmer.
Und dann erklang ein schwaches Geräusch, fast wie das Summen eines Insekts, ein unverständliches Gemurmel. Olivia spürte, wie Stephen ihre Hand etwas fester umfasste, und sie selbst drückte seine Finger.
Das Geräusch wurde lauter, atemlose Laute erklangen, erfüllten den ganzen Raum, gellten in allen Ohren. Endlich verstand Olivia die Worte: "Was mir gehört … Was mir gehört … Was mir gehört …"
Allmählich schwoll der Ruf zu dröhnendem Donner an. Die Tür flog auf, prallte krachend gegen die Wand, und die Lichter gingen aus. Über dem Tisch hingen schwarze Schatten.
13. Kapitel
Rings um den Tisch ertönte schrilles Geschrei. Madame Valenskaya
Weitere Kostenlose Bücher