Der Schatz von Blackhope Hall
andere Wand, Mylady", bat Elwena. "Weit weg von mir."
Verwirrt erfüllte Alys diesen Wunsch. Inzwischen hatte John dem toten Soldaten das blutbefleckte Kettenhemd ausgezogen, denn er wollte sich mit Lord Surtons Emblem zeigen, wenn er mit seiner Liebsten den Burghof durchquerte. Dann würde ihnen niemand in den Weg treten.
"Vertauscht auch Euer Schwert mit seinem", empfahl ihm Elwena.
Obwohl er den Rat befolgte, wandte er ein: "Aber er gehört zu den Belagerern. Wenn sie ihn hier finden, werden sie ihn erkennen – womöglich, bevor wir die Festung verlassen haben."
"Ich werde mich um sein Gesicht kümmern."
"Hier gibt es nicht genug Leichen", gab Alys zu bedenken. "Sicher werden sich die Feinde fragen, wo John und ich geblieben sind."
Kraftlos schüttelte Elwena den Kopf. "Darum müsst Ihr Euch nicht sorgen, Mylady. Ich werde ihnen erzählen, ich sei eine Hexe. In dieser Festung glauben das sehr viele Leute." Ein Lächeln erinnerte an ihr einstiges schelmisches Grinsen. "Wahrscheinlich werden sie annehmen, ich wäre aus dem Fenster geflogen. Was sie vermuten oder wie sie mein Verschwinden erklären, spielt keine Rolle, solange sie in alle Welt hinausposaunen, Ihr wärt zusammen mit Eurem Liebsten gestorben. Der liegt da drüben, in der Gestalt des erstochenen Soldaten. Sicher werden sie sich sogar damit brüsten, sie hätten Sir John besiegt und Sir Raymonds Gemahlin getötet."
"Da hat sie Recht", meinte John. "Weil die feindlichen Krieger unseren Tod wünschen, werden sie alle Zweifel ignorieren, die vielleicht bestehen. Komm, meine Liebste, wir müssen gehen – das Feuer lodert immer stärker."
Auch Alys bemerkte den beißenden Rauch. Er kratzte in ihrer Kehle, und sie spürte die Hitze, die unter der Tür ins Turmzimmer drang. Hastig legte John sein Schwert neben den Toten, nahm ihm die Waffe ab, und Alys ergriff ihren Beutel.
Ein letztes Mal umarmte Elwena ihren Sohn und sprach leise auf ihn ein. Er nickte ernsthaft. Über sein Gesicht strömten Tränen, und sie küsste ihn zärtlich. Als Alys seine Hand umfasste, entfernte er sich tapfer von seiner Mutter.
Sie beugte sich zu Elwena hinab und reichte ihr den Dolch mit den funkelnden Juwelen am Griff. Völlig schutzlos wollte sie die arme Frau nicht zurücklassen. Ihre eigene Waffe hatte Elwena beim Kampf auf der Treppe verloren.
Nun umklammerte sie den schimmernden Griff und schenkte Alys ein aufmunterndes Lächeln. "Nehmt die Kerze", sagte sie und wies mit ihrem Kinn zum Stuhl hinüber. "Da drin ist es dunkel."
Es war schwierig, den Docht zu entzünden. In diesem Raum gab es weder einen Flintstein noch Zunder. Schließlich schob John ganz vorsichtig ein paar längere Binsen zwischen der Tür und dem Rahmen hindurch, und das Feuer, das draußen wütete, steckte sie in Brand. Dann zog er sie behutsam zurück und tauchte die Flammen in die Schüssel. Sobald der Docht Feuer gefangen hatte, wandte er sich an Elwena. "Wir sind bereit."
"Seht Ihr diesen Stein?" Elwena zeigte zur gegenüberliegenden Wand. "Den fünften von unten? Er ist etwas kleiner als die anderen. Zieht ihn heraus."
John folgte der Aufforderung. Zu seiner Verblüffung ließ sich der Stein mühelos aus der Mauer lösen. Im Loch dahinter entdeckte er einen Hebel, den er herumdrehte, und es klickte leise.
"Jetzt stemmt Euch gegen die Wand zu Eurer Linken – sie wird sich nach außen bewegen. Steckt den Stein an seinen Platz zurück. Wenn Ihr die Geheimtreppe erreicht, schließt die Tür. Dann wird niemand feststellen, auf welchem Weg Ihr geflohen seid."
So wie es Elwena prophezeit hatte, schwang die Mauer nach außen, und eine schmale Öffnung entstand. John schob das Steinchen wieder in die Lücke, und es verdeckte den Hebel. Dann kroch er ins Dunkel und fand eine geschwungene Treppe, so schmal, dass seine beiden Schultern gegen die Mauer stießen.
"Gott segne Euch", verabschiedete sich Alys.
"Alles Gute, Mylady."
Alys half dem Jungen, durch die Öffnung zu klettern. Dann folgte sie ihm.
John schloss die Tür, und sie stiegen die Stufen hinab. Die Kerzenflamme erhellte das Treppenhaus nur schwach. Vorsichtig setzten sie einen Fuß vor den anderen. Die Treppe, die sich um raues, unebenes Gestein wand, schien kein Ende zu nehmen.
Doch sie erreichten schließlich den Boden und standen vor einer Wand. Auch hier befand sich ein Hebel, den John nach oben drückte. Klickend öffnete sich eine Spalte, und John schob seine Finger hinein. Mühelos ließ sich die Geheimtür weiter
Weitere Kostenlose Bücher