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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.E. Hotchner
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Kiste hatten wir wirklich
nicht dorthin geschmuggelt. Daß wir auf diese Kiste stießen, war die
einzige Überraschung für uns. Hätte sie Gold oder Valuta enthalten,
hätten wir es dir mitgeteilt und dir den Inhalt gegeben. Aber sie
enthielt etwas, das Hoffmann unbedingt haben wollte, einen Gegenstand,
nach dem er schon lange suchte: den goldenen Adler, der früher im
Palazzo Venezia in der Sala del Mappamondo und später in der Präfektur
von Mailand über dem Schreibtisch des Duce gehangen hatte.«
    »Warum war Hoffmann denn so wild auf den Adler?«
    »Weil er das Regime Mussolinis symbolisiert. Hoffmann brauchte
ihn für seine Sammlung. Sieh mal, allzuviel weiß ich nicht über
Hoffmann und Santo Zacharia. Ich habe ihn seit 1945 nicht mehr gesehen.
Aber ich weiß, daß er sich hinter dem Kloster eine Höhle in den Berg
gegraben hat, in der er mit seinen Schwarzhemden haust. Und eine
Aufgabe der Schwarzhemden ist es, die Mönche des Klosters zu
überwachen.«
    »Willst du etwa sagen, die Klosterbrüder von Santo Zacharia
wären Gefangene?«
    »Jawohl. Soweit ich es beurteilen kann, haben sie nur eine
einzige Funktion, die sie mit Hoffmanns Welt verbindet: Jeden Tag um
Mitternacht, seit zwanzig Jahren, nehmen sie an einer feierlichen Messe
teil. Ich saß eines Abends lange mit Piccionastro zusammen und sah um
Mitternacht, als ich mich verabschiedete, wie sich die Mönche für diese
Messe versammelten. Damals erzählte mir Piccionastro, dies sei eine
allnächtliche Übung, die in Luigi Hoffmanns Bereich stattfinde. Und er
berichtete mir weiterhin, daß Hoffmann die Leichen von Mussolini, Clara
Petacci und aller faschistischen Minister zusammengeholt habe und daß
diese Messe ihnen gelte. Mehr wollte er mir nicht sagen.«
    »Aber Hoffmanns Aktion muß doch einen Sinn haben. Besteht sein
Ziel darin, eines Tages, sobald das Land dazu bereit ist, als Duce II
aufzutreten?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Ich sagte dir doch, daß Hoffmann
ein Fanatiker ist und überdies ein brillanter Geist. Nach meiner
Ansicht hat ein Fanatiker wie Hoffmann kein klares Ziel außer dem
Schwelgen im eigenen Fanatismus. Es stimmt zwar, daß er und seine
Männer die Uniform der Schwarzhemd-Elite tragen, doch lediglich als
Hüter dessen, was Hoffmann in diesem Berg geschaffen hat, und
keineswegs mit dem Gedanken, wieder in die Außenwelt hinauszugehen.«
    »Aber wie hat Hoffmann all diese Leichen Zusammentragen
können?« wollte Julietta wissen.
    »Das war nicht schwierig. Nach den Exekutionen in Dongo wurden
die Leichen der fünfzehn Männer, die auf der Piazza erschossen worden
waren, auf einen Lastwagen geladen, der in Azzano dann noch die Leichen
von Mussolini und Claretta Petacci abholte. Die Leichen wurden alle
zusammen nach Mailand gebracht und vor einer Tankstelle auf der
Piazzale Loreto abgeladen. Zuletzt wurden sie an den Füßen aufgehängt,
damit die Menschenmenge, die sich versammelt hatte, alle gut sehen und
sich überzeugen konnte, daß sie tatsächlich tot waren. Die Leichen
anderer hingerichteter Faschistenführer wurden ebenfalls zur Piazzale
Loreto gebracht und der Kollektion einverleibt.
    Schließlich wurden alle dreiundzwanzig Leichen zum
Musocco-Friedhof transportiert, in schlichte Särge gelegt und in einem
langen Massengrab beigesetzt. Mussolinis Sarg wurde neben den Clarettas
gestellt. Der Boden darüber wurde eingeebnet und lediglich durch einen
Stock mit der Zahl sechzehn gekennzeichnet, den man direkt über
Mussolinis Sarg in die Erde trieb. Nach der Beerdigung wurde das Grab
monatelang von einem nicht abreißenden Strom Menschen
besucht – Partisanen, Antifaschisten, ehemalige politische
Häftlinge –, die alle den Wunsch hatten, ihrem Haß auf
Mussolini dadurch Ausdruck verleihen zu können, daß sie das Grab mit
Urin und Kot verunreinigten.
    Hoffmann hatte genau verfolgt, wo sich die Leichen befanden,
doch ehe er selbst zugreifen konnte, schlichen sich mitten in der Nacht
ein paar junge Männer, Sympathisanten Mussolinis, auf den Friedhof,
gruben den Leichnam aus, wickelten ihn in eine Decke und brachten ihn
nach Mailand, wo dafür gesorgt worden war, daß er zwei Mönchen des
Ambrosius-Ordens übergeben werden konnte. Diese Mönche hatten sich
bereit erklärt, den Leichnam zu hüten und für den Frieden seiner Seele
zu beten. Seltsamerweise hatten dieselben Mönche während des Krieges
jenen Partisanen der Untergrundbewegung Schutz gewährt, die damals vom
deutschen und italienischen Geheimdienst gesucht

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