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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.E. Hotchner
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Augen füllten sich mit Gift, ich verlor den
Kopf, und während ich fühlte, wie seine Halsmuskeln nachgaben, als ich
das Vibrieren seines erstickten Gurgelns in meinen Fingern spürte,
begann ich auf ihn einzuschreien, spie ihm alles ins Gesicht, all die
frustrierten Rachegefühle, die Bedrängnis, Gefängnisse, Richter,
Ankläger, Gefängnisaufseher, Sträflinge, Wohltätigen, zahlte es ihm
heim, daß ich immer nur eingesteckt, eingesteckt, eingesteckt hatte.
Jetzt zahle ich es dir heim, du Scheißkerl, jetzt zahle ich es dir
heim, ich bringe dich um für all die Schweine, die auf mich geschissen
haben und noch auf mich scheißen. Du wirst sterben für sie alle, denn
du bist sie – alle. Meine Finger gruben sich in seinen Hals,
mit steif durchgedrückten Armen, mit meinem ganzen Gewicht preßte ich
zu, schrie, heulte ihn an – endlos, wie es mir schien, lauter
als seine ersterbenden Geräusche. Und dann stürzte sie sich plötzlich
auf mich, nahm mich direkt von vorne an, warf mir ihren Körper
entgegen, daß ich hintenüber fiel und Ted freigeben mußte, packte mich
um die Hüften, umschlang mich mit Armen und Beinen wie eine lebende
Klammer. Und ich wehrte mich, zerrte mit aller Kraft, die Finger tief
eingegraben, an ihren Armen, versuchte sie abzuschütteln, doch sie
hielt stand, den Kopf unter mein Kinn gestemmt, die Arme
ineinandergeklammert, fesselte mich mit Körper, Beinen und Armen
genauso fest wie ein Strick, preßte sich an mich mit aller Kraft, immer
enger und enger, bis ihre Beckenknochen auf meine trafen, verschlang
die Füße hinter meinen Schenkeln, drückte mit ihrem Kopf mein Kinn
hoch, während ich mich mit ihr auf dem Boden wälzte, ohne zu hören, wie
sie mich anflehte. Und endlich das Abebben, endlich fühlte ich, wie es
aus mir heraus wollte, platzte und ebenso schnell auslief, wie es sich
gefüllt hatte, ein bösartiges Geschwür, das aufgestochen worden war,
sich entleerte. Ich lag auf dem Rücken, und sie auf mir, ohne mich noch
zu halten, lag einfach auf mir, heftig atmend, das Gesicht naß vor
Tränen und Schweiß, das Kleid an der Schulter zerrissen, während Ted
stöhnte und Luft zu holen versuchte, und da er lebte, lebte auch ich,
und dieses mein gerettetes Leben gehörte ihr.

22
    W ir lagen vor dem offenen Fenster auf dem
Bett. Unsere erschöpften Körper waren schweißnaß und klebrig. Eines von
Juliettas Beinen lag zwischen den meinen, ihr Schenkel war an einer
Stelle durch ein paar Tropfen gesättigter Liebe innen an meinem
Schenkel festgeklebt. Ich fühlte mich schwerelos und ewig. Mit
geschlossenen Augen lauschte ich den Stimmen der Straßenhändler und den
gedämpften Klängen der Karussell-Orchestrions, die der Schirokko von
irgendeiner Kirmes herübertrug. Es war ein Augenblick, den man
festhalten und bewahren mußte, genau wie ich in Mailand einmal in einem
Schaufenster einen Schmetterling gesehen hatte, der in einem dicken,
durchsichtigen Polyesterharzwürfel eingeschlossen gewesen war.
    »Was wirst du tun, Paul?«
    Es war die erste Anspielung auf Teds Bericht. Wir waren in
unser Zimmer hinauf gegangen, um nachzudenken, doch dann war es uns
plötzlich wichtiger gewesen, ins Bett zu gehen. Wir brauchten
Selbstbestätigung.
    »Was meinst du denn, was ich tun soll?«
    »Dein Wort halten.«
    »Mein Wort?«
    »Dein Versprechen. Du wolltest nur wissen, dann wolltest du aufhören. Jetzt hörst du doch auf – oder?«
    »Wie kann ich jetzt aufhören, nachdem ich endlich alles
erfahren habe?«
    »Sehr einfach. Indem du allem den Rücken kehrst und weggehst
von hier.«
    »Ohne dem gegenüberzutreten, was mich seit zwanzig Jahren
verfolgt? Dazu habe ich nicht genug Phantasie, Julietta. Ich kann nie
etwas so einfach abschließen. Es ist wie damals, als mein Vater starb.
Er hatte schon seit mehreren Jahren Krebs, ein großer, starker,
gesunder Mann, der die Schande ertragen mußte, daß man seinen
kraftvollen Körper nach und nach durch vier Operationen demütigte, bei
denen jeweils ein Teil aus ihm herausgeschnitten wurde. Bis er zuletzt,
verstümmelt, verwelkt und von Schmerzen zerquält, kapitulierte. Bei der
Beerdigung blieb der Sarg geschlossen, doch nach der Feier, als alle
gegangen waren, kehrte ich noch einmal zurück und bat den fetten
Bestattungsunternehmer mit seinem bleistiftdünnen Schnauzbart, den Sarg
für mich zu öffnen, bevor sie ihn ins Krematorium schafften. Ich wollte
meinen Vater noch einmal sehen.
    Warum? Weil ich sonst keinen Abschluß finden konnte. Er

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