Der Schatz von Dongo
worden waren.
Der Diebstahl der Mussolini-Leiche sprach sich herum, und die
Öffentlichkeit war empört. Hoffmann hingegen war zutiefst bestürzt.
Schließlich verfolgte man die Spur der Leiche bis in das Kloster der
Ambrosianer. Zu jenem Zeitpunkt war das italienische Kabinett in Rom
zusammengetreten, um zu entscheiden, was man mit Mussolinis Leiche
anfangen sollte. Es gab eine Kontroverse, weil der Präsident des
Kabinetts, ein Führer der Katholikenpartei, jeden Versuch, Mussolini
ein christliches Begräbnis zu geben, boykottierte. Zuletzt einigte man
sich, einen ungekennzeichneten Platz zu schaffen, von dem die
Öffentlichkeit niemals erfahren sollte.
Irgendwann in der Zwischenzeit jedoch, wahrscheinlich während
das Kabinett debattierte, bemächtigte sich Hoffmann der Leiche. Er
unterschob eine andere mit denselben Körpermaßen wie Mussolini, und so
kommt es, daß Mussolini heute in Santo Zacharia liegt. Anschließend
ließ Hoffmann heimlich noch sämtliche anderen Leichen aus dem Grab in
Musocco holen und nach Zonico transportieren. Für die gestohlenen
Leichen wurden andere in das Musocco-Grab gelegt.«
Ted hatte vor dem Kamin gestanden und sich, während er sprach,
hin und wieder auf den Sims gestützt. Jetzt kam er zu uns herüber und
schenkte sich noch einen Whisky ein. Es gab nichts mehr zu erzählen. Er
hatte alles gesagt. Er setzte sich zu Julietta.
Ich fragte ihn: »Der Mann, der Arnoldo umgebracht und mir
dreiundzwanzig Jahre meines Lebens gestohlen hat … dieser
Mann … und der Schatz, den ich als Schadenersatz haben
will … sie befinden sich also beide an einem Ort. Hier. Oben
im Berg.«
»Du darfst mich nicht vergessen«,
erwiderte Ted. »Ich trage ebensoviel Schuld an dem, was geschehen ist,
an dem, was du durchmachen mußtest, wie die anderen. Ich habe mich des
Verbrechens der Unterlassung schuldig gemacht, des Danebenstehens, denn
ich habe nicht das getan, was ich unbedingt hätte tun müssen. Weil ich
meinen eigenen Kopf retten wollte.«
»An dir bin ich nicht interessiert, Ted«, gab ich zurück.
»Auch nicht an Bis. Seltsamerweise tut ihr mir leid. Ich will weder
euer Geld noch eure Hilfe. Gegen Bis habe ich einen gewissen Zorn, weil
er Giorgio umgebracht hat. Aber inzwischen ist schon ein so großer Teil
meiner Zeit vertan worden, daß ich nicht noch mehr vertun möchte, nur
um meinen Haßgefühlen nachzugeben. Aber dieser Schatz … Hast
du etwas davon gesehen? Weißt du, was Hoffmann damit gemacht hat?«
»Nein. Von dem Schatz weiß ich nichts. Aber was ist mit
Hoffmann? Willst du ihn dir vornehmen? Und dir den Schatz holen?«
»Ich weiß nicht.« Ich sah Julietta an. Ihre Augen waren dunkel
und bekümmert.
»Wieviel von dem Schatz liegt deiner Ansicht nach dort?«
»Etwa die Hälfte.«
»Achtzig bis neunzig Millionen?«
»Mindestens. Falls du Hoffmann verklagen willst, kannst du auf
meine Aussage zählen.«
»Nein. Er interessiert mich nicht. Aber vielleicht möchte
Julietta …«
»Nein!«
»An den Schatz wirst du schwerlich herankommen, Paul. Ich
würde sogar sagen, es ist unmöglich, doch angesichts dessen, was du
schon erreicht hast, seit du aus dem Zuchthaus entlassen
bist …«
»Ich muß es mir überlegen. Meinst du nicht, daß man mit
Hoffmann zu einer Einigung kommen könnte?«
»Bestimmt nicht. Und bitte, Paul, täusche dich nicht: im
Augenblick, da Hoffmann erfährt, was du weißt, bist du ein toter Mann.«
»Aber du hast doch gesagt, daß du und Bis …«
»Wir garantierten ihm, daß wir dich aus dem Weg schaffen, dich
von Santo Zacharia fernhalten würden. Wir haben unsere Positionen
verloren.«
»Du meinst, ich habe die meine verloren. Und dabei habe ich
geglaubt, ihr überstürztet euch vor Eifer, das wiedergutzumachen, was
ihr dem guten alten Paul angetan habt …«
»Glaube mir, Paul, ich habe deinetwegen furchtbar gelitten.
Und Bis ebenfalls. Die ganzen Jahre. Alle Qualen der Verdammten. Und
jetzt kommt auch noch Giorgio auf mein …«
Vielleicht war es, weil Ted in seinem salbungsvollen Ton
Giorgios Namen aussprach. Aber wie dem auch sei – es stieg
plötzlich in mir hoch, ein Grollen, irgendwo ganz tief in mir. Und dann
schoß es wie heiße Lava hervor, und der ganze Vulkan brach aus, und ich
warf mich auf ihn mit all meiner unterdrückten Wut, Wut wegen Arnoldo
und mir und Julietta und Giorgio. Meine Hände schlossen sich um seinen
Hals, ich drückte ihn auf den Boden, und er versuchte verzweifelt,
meine Hände zu lösen. Meine
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