Der Schatz von Dongo
unangenehm, wenn
Sie meinetwegen jemanden um einen Gefallen bitten müßten.«
»Es macht mir nichts aus, jemanden um einen Gefallen zu
bitten. Vorausgesetzt, ich brauche ihm keinen Gegengefallen zu
erweisen. Bei diesem Mann wäre das nicht nötig. Also sagen Sie mir
Bescheid, wenn es soweit ist, und wir werden sehen.«
Wir brauchten jetzt unbedingt etwas zu
trinken und fuhren zu ihrer Wohnung, wo sie als Überraschung für mich
ein ganz und gar amerikanisches Essen vorbereitet hatte. Sie
behauptete, die Sehnsüchte der Amerikaner zu kennen, die allzu lange
fern von dem Land der Hot Dogs, der Hamburgers, des heißen Popcorns und
der getoasteten Marshmallows gelebt hatten. Und ahnte dabei nicht, wie
lange dieser spezielle Amerikaner fern seiner Heimat gewesen und welch
ein Hochgenuß es für ihn war, den Geschmack dieser längst vergessenen
kulinarischen Greuel auf der Zunge zu spüren.
Ihre Wohnung lag im obersten Stock eines fünfgeschossigen
Hauses mit Blick auf die Bernini-Statue auf der Piazza Navona. Die
Räume waren schlicht und geschmackvoll eingerichtet, in einer Mischung
aus antik und modern. Während wir darauf warteten, daß der Espresso in
der kleinen Maschine zu brodeln anfing, saßen wir auf dem winzigen
Balkon und leerten die Flasche Verdicchio. Tief unter uns flitzte ein
Junge mit weißer Schürze, ein Silbertablett hoch über dem Kopf
balancierend, wie ein geölter Blitz zwischen den Autos auf der Piazza
hindurch und brachte uns Eis- bomba .
Von der Minute an, da wir die Wohnung betraten, hatte Iris
ununterbrochen geredet – zuerst über allgemeine Themen, dann
immer persönlichere, ihre Einsamkeit, ihre Kontaktarmut und die
Schwierigkeiten einer attraktiven Frau, die allein in einer netten
Wohnung in einer Stadt leben mußte, wo alle attraktiven Männer
verheiratet und außereheliche Techtelmechtel ein etablierter
Bestandteil des Lebens waren. »Scheidungsgesetze wird es hier niemals
geben«, erklärte sie. »Dazu haben es die Männer viel zu gut. Sie lassen
Frauen und Kinder sitzen und haben unter dem Vorwand, von der Kirche in
einer liebeleeren Ehe gefangengehalten zu werden, so viele Affären, wie
sie nur wollen. Sogar die Amerikaner machen da mit. Ihr lieber Freund
Dan Reeder kam eines Tages, nachdem ich ihn auf einer Cocktailparty in
seinem eigenen Haus kennengelernt hatte, mit hängender Zunge hier an,
begann sich praktisch an der Wohnungstür auszuziehen. Konnte überhaupt
nicht begreifen, warum ich mit ihm nicht in die Buntkarierten hüpfte.
Meinte, ich wäre frigide. Oder lesbisch. Hat mindestens eine Stunde
versucht, mein seltsames Verhalten zu analysieren. Reißt jedesmal Witze
darüber, wenn er mich sieht. Was hat er Ihnen von mir erzählt? Nein,
sagen Sie nichts. Vermutlich, daß Sie nur Ihre Zeit vertun, weil ich
höchstens beim Anblick eines liebestollen Ziegenbockes mit grünem Bart
in Hitze gerate.«
»Wieso sind Sie so sicher, daß ich nicht verheiratet bin?«
»Sie haben diesen unterernährten Junggesellenblick.
Verheiratete Männer haben so eine Art satten Blick um die Augen. Ich
weiß nicht, vielleicht sind Sie trotzdem verheiratet, aber aus
irgendeinem Grund haben Sie in mir eine Reaktion ausgelöst. Zum
erstenmal seit langer Zeit. Die Filmleute sind so flotte Betthupfer,
und das ist nicht mein Stil.«
Ihr Atem ging ein wenig rascher. »Sie sind so … Ich
weiß nicht. Eine Insel … Ich wünschte, Sie würden sich
aussprechen. Vielleicht werden Sie es noch tun. Ich würde Ihnen gern
zuhören. Wirklich …«
Aber wir sprachen nicht. Die bomba schmolz
und der Espresso siedete, und sie zu küssen und zu spüren war für mich
unerträglich erregend. Ich kann mich nicht daran erinnern, mich
ausgezogen zu haben, nur noch daran, daß sich mein Kopf und meine Augen
mit einem ungeheuren Blutwirbel füllten, daß sich der schmerzende Atem
in meiner Brust fing, daß all die langen Jahre der Träume und
Frustrationen zu diesem kühlen, weißen Brokatbett führten, daß ihr
Körper verblüffend heiß war, sich mir verlangend entgegenhob. Und dann,
in der Sekunde des Nehmens, des endlich Nehmens, in diesem Augenblick:
der grauenhafte Schweiß, aus Hähnen strömend, die sich in meinem Körper
öffneten, mir übers Gesicht rinnend, in den Augen beißend, mein Haar
nässend. Immer wieder versuchte ich es, immer wieder mühte ich mich,
hörte mich selber laut stöhnen, aber der Schweiß strömte aus mir
heraus, und ich konnte sie nicht lieben. Ich weiß
wahrhaftig nicht, ob der
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