Der Schatz von Dongo
gekommen, als sich Dans Freunde bereits in dem kleinen
Verhandlungsraum drängten, daher beschloß ich, ein Vabanquespiel zu
wagen, ein verzweifeltes Vabanquespiel, und anzunehmen, daß ich nicht
bemerkt worden war. Ich glaube, es war meine Juraausbildung, die mir
den Mut verlieh. Bevor ich mir eigentlich richtig darüber klar wurde,
was ich da tat – es war einfach eine Reflexreaktion auf
Dans – und vor allem meine –
mißliche Lage, war ich auf den Gang hinausgeschlüpft, nahm eine
gekrümmte Haltung an, von der ich mir vorstellte, daß sie für
sakroiliakale Schmerzen typisch sei, und betrat langsam und mühselig
den Verhandlungssaal. Ein wenig fühlte ich mich in die Theatergruppe
der Washington University zurückversetzt, in der Charakterrollen á la
Paul Muni meine Stärke gewesen waren.
Als Dan mich sah, blieb ihm der Mund offen, und sein Gesicht
wurde um noch eine Schattierung blasser.
»Ich bin Louis Addams, Euer Ehren«, erklärte ich in holprigem
Italienisch. »Ich bin gekommen, obwohl es der Arzt mir verboten hat,
aber ich will lieber lebenslänglich ein Krüppel sein als zuzulassen,
daß ein Unschuldiger eine Nacht im Gefängnis verbringt. Ich muß mich
setzen. Würde mir bitte jemand helfen?«
Der Gerichtsdiener sprang herzu und half mir behutsam auf
einen Stuhl. Der Richter gab mir ein Glas Wasser aus seiner Karaffe,
das ich auch dankbar, das Glas mit beiden Händen haltend, trank. Immer
wieder von Schmerzwellen unterbrochen, die meinen Körper qualvoll
schüttelten, bestätigte ich energisch Dans Erklärung, daß er mit mir
gesprochen habe, als wir nach dem Geplänkel mit den Polizisten
weiterfuhren. Ich gab an, mich deutlich daran zu erinnern, daß er mich
im Zusammenhang mit meinem kranken Rücken – ›zu dem Zeitpunkt
war es noch nicht so schlimm wie jetzt, Euer Ehren‹ – gefragt
habe, ob es mir etwas ausmache, wenn er ein Stück weiter die Straße
hinunter parke, ob es von da aus nicht ›sehr weit für dich ist, Lou‹,
was ja auf englisch ›very far for you, Lou‹ heiße und, wenn man es
recht bedenke, für die Ohren italienischer Polizisten, die kein
Englisch verstanden, durchaus so klingen konnte wie ›va fa un colo‹.
Der Staatsanwalt wollte mir weitere Fragen stellen, aber die
Schmerzen in meinem Rücken nahmen auf einmal sehr zu, und da der
Richter befürchtete, ich könne hier zu seinen Füßen ein unrühmliches
Ende finden, entließ er mich. Einige von Dans Freunden, denen
inzwischen ein Licht aufgegangen war, kamen nach vorn und trugen mich
buchstäblich auf den Händen aus dem Gerichtssaal hinaus.
Fünf Minuten darauf wurde Dan mit einer strengen Verwarnung
des Richters freigesprochen. Wir fuhren zu ihm nach Hause, um unseren
Sieg zu feiern. Der Champagner floß in Strömen, ich ruhte weich auf
einem Kissenberg, den Natalie mir im Wohnzimmer gebaut hatte, wurde von
allen scherzhaft-liebevoll umhegt, und dann brachte Dan mir eine
Nachricht, die sein maggiordomo vor einer Stunde
für mich entgegengenommen hatte: Signor Gibio wollte mich um fünf Uhr
in seiner Wohnung sprechen.
6
E s tut mir leid, daß es so lange gedauert
hat«, entschuldigte sich Gibio, »aber wenn ich in eine Sache einsteige,
muß ich genau wissen – wirklich wissen –,
mit wem ich es zu tun habe.
Ein Vorschlag, und mag er für mich noch so attraktiv klingen,
ist immer nur so gut wie der Mann, dem ich dabei vertrauen muß. Und
schon vor langer Zeit habe ich gelernt, daß man sich nie auf ein Urteil
verlassen soll, das lediglich auf der Erscheinung des Mannes basiert,
ohne sich dieses Urteil durch handfeste Beweise bestätigen zu lassen.
Der Mann, der vor einem steht, ist stets die Quintessenz seiner
Vergangenheit, all dessen, was er getan hat und gewesen ist; aber es
ist entschieden ein Vorteil, soviel wie möglich über das
Ausgangsmaterial des Destillats zu erfahren. Daher die Verzögerung.
Daß Ihr Vorschlag mich fasziniert und daß ich auf Sie als
Mensch positiv reagierte, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Jetzt
habe ich außerdem ein ziemlich vollständiges Dossier Ihrer
Vergangenheit« – er nahm einen dicken Aktenhefter vom Tisch,
wie ihn auch Anwälte benutzen, und wog ihn auf der flachen
Hand – »und habe festgestellt, daß Sie ein Mann sind, mit dem
ich arbeiten kann.«
Meine Hoffnungen lebten auf. »Ich bin sehr froh, daß Sie das
sagen.«
»Aber ich muß Ihnen mitteilen, daß trotz dieser günstigen
Auspizien noch immer ein gewisser Zweifel an mir nagt. Es handelt
Weitere Kostenlose Bücher