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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.E. Hotchner
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was mein Verhältnis zu Dan trüben konnte. Mag sein, daß ich
das Zeichen falsch deutete, vermutlich tat ich das sogar, ich war ja so
lange entwöhnt gewesen. Vorsichtshalber drängte ich sie, wenn auch
nicht sehr geschickt, fürchte ich, aus dem Atelier und kehrte mit ihr
zu den anderen in die Villa zurück.
    Am Tag, bevor Iris wiederkam, fand meine
Synchronsprecherkarriere leider ein Ende. Die letzte Spule von ›Blood
Is Red‹ war fertig, und der Produktionsleiter nannte mir Namen und
Adresse eines Schauspiellehrers, der meiner ungeübten
mittel-atlantischen Leierstimme seiner Meinung nach den notwendigen
Schliff verleihen konnte.
    So hatte ich also genügend Zeit, um mich mit Iris zum Lunch zu
treffen. Sie war braungebrannt, und die kalabrische Sonne hatte ihr
Haar um eine halbe Schattierung gebleicht. Auf ihren Vorschlag hin
trafen wir uns bei Pasetto, einem Restaurant in der Nähe der Piazza
Navona, an der sie wohnte. Sie trug ein weißes Pique-Kleid mit hoher
Taille – die ihren Busen hervorhob – und kurzem
Rock – der ihre schönen Beine zeigte –, lächelte mich
mit vollen Lippen an, die in überheblicher Weise auf Lippenstift
verzichtet hatten, und als ich sie so sah, flammten alle Gefühle, die
ich so mühsam eingedämmt hatte, nachdem sie Rom verließ, wieder auf.
Zum Essen schlug sie eine Spezialität des Pasetto vor: ein schweres
Fondue, am Tisch mit papierdünnen Scheiben belegt, die der Kellner
behutsam von einer riesigen weißen Trüffel abhobelte. Als Iris ihn bat,
noch mehr Trüffeln zu nehmen, antwortete er mit tiefernster Miene:
»Aber gern, Signorina. Nur müssen Sie sehr achtgeben – weiße
Trüffeln sind ein Aphrodisiakum.«
    »Das sollten Sie dem Herrn da sagen, nicht mir«, gab Iris
zurück. Der Kellner lachte und warf ihr einen beifälligen Blick zu, den
sie auch verdiente.
    Frischer Spargel, wilde Himbeeren mit Sahne, Espresso, ein
leichter Orvieto – die Quintessenz eines genüßlichen
Mittagessens, auf das eine Siesta folgen mußte, die jedoch nicht
folgte, da Iris während des Essens entdeckte, daß ich noch keine der
Sehenswürdigkeiten Roms besichtigt hatte. Ich mußte sogar gestehen, daß
ich nicht einmal im Petersdom gewesen war, und da sie diese Situation
zum Notstand erklärte, beharrte sie wild entschlossen darauf, meine
kulturelle Seele retten zu wollen. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre es
sicher sehr schön gewesen, mit ihr die großen Kirchen, San Giovanni in
Lateran, Santa Maria Maggiore, San Pedro, das Pantheon und Santa Maria
Sopra Minerva, zu besuchen. Mit ihrer klaren, geschulten Stimme
erklärte sie mir, was wir sahen, und wußte tatsächlich erstaunlich viel
über Geschichte, Architektur, Kunstwerke, Grüften, Artefakten und all
die anderen Details, auf die Ecclesiophile so großen Wert legen. Ich
selber hatte mir nie viel aus Kirchen gemacht, jetzt aber war ich von
dieser Pracht tief beeindruckt. Am späten Nachmittag ließ Iris'
Redseligkeit allmählich nach, und als wir stumm durch den Teppich von
Tauben auf der weiten Piazza vor der Basilica di Santa Maria Maggiore
schlenderten, fühlte ich mich von der Erhabenheit Roms ergriffen.
    »Noch eine«, bat Iris.
    »Nein. Zu viele Kirchen. Mir ist es jetzt schon viel zuviel.«
    »Aber die ist anders. Die ist für die Seele gut.«
    »Wenn Ihnen wirklich so viel an meinem Seelenheil liegt, dann
wollen wir uns jetzt lieber irgendwo hinsetzen, die Schuhe ausziehen,
die Füße hochlegen und einen schönen Whisky trinken.«
    »Ich verspreche es – das machen wir gleich nach San
Salvatore.«
    »Ich sage Ihnen doch, für heute habe ich bereits mehr als
genug!«
    Sie nahm meinen Arm, schmiegte sich an mich und glich ihre
Schritte den meinen an. »Und was ist mit meiner Seele? Ein kleines bißchen Caritas für die arme, kleine Seele der
armen, kleinen Iris, ja?« Wir waren an ihrem roten Fiat 850 angelangt.
»Die Einzelheiten erzähle ich Ihnen unterwegs.«
    Was sie mir zeigen wollte, war die Scala Santa in der Kirche
San Salvatore. Die Treppe besteht aus einer langen Flucht von
Marmorstufen – angeblich denselben, die Jesus im Haus des
Pilatus zu Jerusalem emporgestiegen ist. Sie wurden von Kaiserin
Helena, der Mutter Konstantins des Großen, zu Schiff nach Rom gebracht.
Der Zugang zur Treppe ist frei, erklimmen aber darf man sie nur auf den
Knien. Und als Belohnung für diesen Beweis wahrer
Frömmigkeit – ein ziemlich schlagender Beweis, da es sich um
mindestens siebzig Stufen handelt – gewährt die Kirche

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