Der Schatz von Dongo
Bauch, die
Hände in die Bettdecke verkrallt, das Gesicht unter dem herabfallenden
Haar verborgen. Ich kann mich ebensowenig daran erinnern, mich
angezogen zu haben, wie daran, daß ich mich ausgezogen hatte. Doch als
ich die Tür hinter mir zuzog, fühlte ich in meinem Rücken das
Einschnappen des Schlosses, wie man ein Messer fühlt, das einem
zwischen die Rippen gestoßen wird.
Draußen, auf der Piazza, war alles still, im Tre Scalini ein
paar Leute, die draußen im Freien speisten. Der Schweiß hatte nicht
nachgelassen. Mir war, als würde er niemals mehr aufhören.
5
D ans Prozeß, über den schon viel gelacht
worden war, und zu dem all seine Freunde in Feststimmung erschienen,
stellte sich schließlich als todernste Angelegenheit heraus. Der
Gerichtssaal besaß sehr seltsame Proportionen: Er war sehr breit, aber
so kurz, daß man sich, wenn man eintrat, höchstens ein paar Meter vom
Richterpodium entfernt befand. Diese breitwinkelige Nähe verstärkte den
Eindruck der richterlichen Präsenz um ein Vielfaches. Von der weißen
Wand hinter dem hochlehnigen Ledersessel des Richters hob sich in
großen, schwarzen Reliefbuchstaben eine Inschrift ab: La legge e uguale per tutti. Darunter hing ein großes, schwarzes Kruzifix. Der Richter, der etwas
höher saß als die anderen, trug eine schwere, schwarze Robe aus teurem
Stoff mit Silberquasten. Der Gerichtsdiener hatte seinen Platz rechts
vom Richter, jedoch eine Stufe tiefer, und trug eine dünne, schwarze
Robe aus billigem Stoff mit roten Quasten. Der Staatsanwalt, zur Linken
des Richters und ebenfalls eine Stufe tiefer, trug zwar weder Robe noch
Quasten, dafür aber eine stets finstere Miene und einen imponierenden
Bart, dessen Borsten sich sogar bewegten, wenn er nicht sprach. Das
Ganze wirkte, als säße man in der ersten Kinoreihe vor einem
Breitwandfilm, dessen Schärfe nicht richtig eingestellt worden war.
Die Zeugenaussagen der jungen Polizisten, die beide in flotter
Zivilkleidung erschienen, wirkten sicher und glaubhaft. Dans
Verteidiger erreichte überhaupt nichts mit seinem Kreuzverhör, und der
Staatsanwalt verlangte ein Minimum von sechs Monaten Strafe für jenen
einflußreichen Ausländer, der diese geachteten Beamten beleidigt hatte.
Als Dan dann in den Zeugenstand trat, war er schneeweiß, sichtlich
nervös, seine Beine schienen ihm den Dienst zu versagen, und in seinen
Augen stand jener gequälte Ausdruck, den ich schon einmal an ihm
gesehen hatte: in Marseille.
Seine tiefe, kräftige Stimme klang so erstickt, daß man ihn
kaum verstehen konnte. In gewisser Hinsicht wirkte sich das zu seinem
Vorteil aus, denn niemand konnte sich so recht vorstellen, daß ein so
schwacher, sanfter Mann zwei Ordnungshütern einen so gemeinen
Kraftausdruck zugerufen haben sollte. Dans Aussage lautete dahingehend,
daß alles, was an jenem Abend im Auto gesagt worden war, einem Freund
auf dem Rücksitz gegolten habe und keineswegs an die Polizisten
gerichtet worden sei.
»Sie sagten Ihrem Freund also im Zusammenhang mit irgendeiner
Angelegenheit, daß er Sie am Arsch lecken solle?« erkundigte sich der
Staatsanwalt scharfen Tones.
»Nein, Sir. Es war ein Amerikaner, und wir sprachen Englisch.
Die englischen Worte klangen vermutlich in ungefähr wie Va fa
un colo «.
»Und welche englischen Worte klingen etwa so?«
»Ich kann mich an den genauen Wortlaut nicht erinnern.«
»Wie heißt Ihr Freund?«
»Louis Addams.«
»Wird er als Zeuge erscheinen?«
»Nein, Sir. Er liegt im Krankenhaus. Sein Rücken ist nicht in
Ordnung.«
Der Anwalt stand auf. »Ich möchte höflichst vorschlagen, Euer
Ehren, daß wir diesen Prozeß verschieben, bis der Zeuge Addams aussagen
kann.«
»Warum haben Sie sich nicht seine eidliche Aussage geben
lassen?«
»Ich dachte, er wäre bald wieder gesund.«
»Dann hätten Sie den notwendigen Aufschub vor dem Prozeßbeginn
beantragen sollen. Jetzt ist es zu spät dafür.«
Ich hatte Dans Freund Lou Addams kennengelernt. Es handelte
sich um einen Bildhauer, der tatsächlich im Moment an einem
sakroiliakalen Schaden litt. Daß er nicht erschienen war, hatte nicht
nur für Dan Nachteile, sondern ebenso auch für mich. Denn falls Dan
schuldig gesprochen und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde,
waren auch meine Hoffnungen und Chancen dahin. Ein freier Dan Reeder
war für meinen Aufenthalt in Italien lebenswichtig.
Ich war bis jetzt von niemandem beachtet worden, das heißt,
ich hoffte, daß mich niemand beachtet hatte. Ich
war erst
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