Der Schatz von Dongo
wollenden
Zurschaustellung römischer Prachtentfaltung glich. Doch ich wartete
viel zu ungeduldig auf das Wiedersehen mit Dan, um all diesen Glanz
genießen zu können. Wir hatten erst Anfang Juni, doch in Rom war es
schon ziemlich heiß, und während ich in der Via di Villa Giulia nach
dem Gerichtsgebäude suchte, spürte ich, wie mir unter dem schweren
Wollanzug der Schweiß den Körper hinablief.
Ich hatte angenommen, Dan habe wegen einer Reportage auf dem
Gericht zu tun und die Fernsehkameras würden mir den Weg zu ihm weisen.
Weit und breit waren jedoch keine Aufnahmeapparaturen zu sehen. Ich
schlenderte an den Gruppen und Grüppchen von Anwälten, Mandanten und
Zeugen vorbei, die vor den Gerichtssälen herumstanden und aufgeregt die
bevorstehenden Verhandlungen diskutierten, und wußte nicht einmal
genau, ob ich Dan wiedererkennen würde, wenn ich ihn sah. Damals, in
Paris, als er bei ›Yank‹ und ich beim ›Air Force Magazine‹ arbeitete,
waren wir gute Freunde gewesen, aber wir hatten uns 1945 in Mailand zum
letztenmal gesehen, und wer konnte sagen, wie sehr er sich in den
vierundzwanzig Jahren verändert hatte.
Dan war damals einundzwanzig gewesen, ein drahtiger junger
Mann mit schwarzen Augen, schwarzen Haaren und ungezügeltem
Temperament, mit herzhaftem Lachen und einem angeborenen Talent, die
Italiener einzuschüchtern. Er war 1948 als Verbindungsmann für mehrere
amerikanische Zeitungen nach Paris gegangen und schließlich Kommentator
bei einem Fernsehsender geworden. In den fünfziger Jahren wurde er dann
nach Rom versetzt und zum Leiter der Mittelmeer-Redaktion seines
Senders ernannt. Während seines langjährigen Aufenthaltes in Rom hatte
er bei hoch und niedrig lohnende Verbindungen geknüpft und sich vor
allem im Vatikan eine Position geschaffen, durch die er jedem Besucher,
der ›zählte‹, innerhalb von achtundvierzig Stunden eine Audienz beim
Papst garantieren konnte.
Alle diese Informationen hatte ich im Laufe der Jahre
verschiedenen Artikeln über Dan entnommen, die in der italienischen
Presse erschienen waren. Kurz nach seiner Ankunft in Rom hatte er eine
Amerikanerin geheiratet, die sich einigen Ruf als Malerin und
Bildhauerin erworben hatte, zuerst mit massiven Holzblöcken,
anschließend mit rostfreiem Stahl, dann mit Spiralstrukturen, von denen
einige für die Foyers mehrerer New-Yorker Bürogebäude und für
Einkaufszentren in Kansas City und Des Moines bestellt worden waren.
Ihr succès fou jedoch lag darin, daß sie sich zur
absoluten Alleinherrscherin über die stranieri , die Fremdenkolonie Roms, emporgekämpft hatte. Einem Artikel im
›Corriere della Sera‹ war zu entnehmen gewesen, daß Amerikaner, die
sich gern in Rom seßhaft machen wollten, am besten erst dann ihr Geld
für einen Paß ausgeben, wenn sie einen Empfehlungsbrief für Natalie
Reeder in der Hand hatten. Denn anscheinend war es vorgekommen, daß
Ehepaare sich in Rom niedergelassen hatten, nach Monaten vergeblichen,
intensiven Bemühens um eine Einladung zu einer von Natalies Partys
jedoch ihre Zelte wieder abbrechen und tiefbetrübt weiterziehen mußten.
»Ja, Himmel – Paul!« Dan hatte mich zuerst entdeckt,
aber auch ich hätte ihn sofort wiedererkannt, so wenig hatte er sich
verändert. Der wie eine Witwenschnebbe spitz zulaufende Haaransatz war
zwar ein wenig zurückgewichen, doch das wurde durch den dichten Schopf,
der ihm im Nacken bis auf den Kragen fiel, wieder wettgemacht. Er
grinste mich mit seinen großen, kräftigen Zähnen an, legte mir den Arm
um die Schultern und schlug mich vergnügt auf den Rücken. Dann trat er
zurück und musterte mich. »Du verdammter Mistkerl – hast dich
gehalten, als hättest du in der Tiefkühltruhe gelegen!«
»Habe ich auch.«
»Kein einziges Fältchen! Du bist doch älter als ich, nicht
wahr?«
»Genau ein Jahr jünger.«
»Siehst aber aus wie dreißig. Komm, wir machen, daß wir hier
'rauskommen!« Er nahm meinen Arm und führte mich über die Straße in
eine Bar. »Es gibt doch nichts Schlimmeres als die Rechtsprechung
dieser Makkaronis. Mein Gott, ich wollte mir vor ein paar Wochen mit
Natalie und einem befreundeten Ehepaar einen Film ansehen. Als ich den
Wagen gegenüber vom Kino abstellen wollte, standen da zwei Polypen 'rum
und sagten, ich müßte weiterfahren. Die ganze Straße entlang waren die
Autos geparkt, aber bei mir, dem straniero , müssen sie meckern. Ich hab' mich ein bißchen mit den Sportsfreunden
angelegt, aber dann habe ich den Wagen
Weitere Kostenlose Bücher