Der Schatz von Dongo
hochgegangen bin, Ted. Wirklich, ich bin dir
sehr dankbar für alles, was du für mich tust. Du schuldest mir
nichts – trotz dieser albernen Schuldkomplexe. Das Einkaufen
heute war eine herrliche Ablenkung. Ich bin dir aufrichtig dankbar
dafür.«
Ted ging zur Tür. »Du wirst schon klarkommen, Paul. Vielleicht
sogar Dongo erobern – wer weiß? Aber jetzt auf, mein Freund,
und in die Fluten!«
»Nein, Ted. Ohne mich.«
»Was, ohne dich?«
»Schwimmen.«
»Hast du keine Lust?«
»Doch, aber ich kann nicht. Ich habe nie schwimmen gelernt. In
South St. Louis gab es keine Badeanstalten, weißt du.«
»Im Ernst? Mein Gott, ich habe noch nie jemanden
kennengelernt, der nicht schwimmen kann! Nicht mal ein winziges
bißchen?«
»Ich wollte es ohnedies schon lange einmal lernen, aber mein
Stundenplan in Santo Stefano war mit anderem besetzt.«
Das Haus der Middlekeys war großartig. Es
lag in der Juniper Street, nur zwei Blocks vom St. James's Park
entfernt, schmal, vierstöckig, mit zwei graziösen weißen
Porzellan-Greyhounds, die den Eingang flankierten, antiken Möbeln, die
sorgfältig, mit offenem Portemonnaie und ausgezeichnetem Blick für
homogene Nonkonformität gewählt worden waren. Susanna Middlekey war
dreißig, ihr Körper strahlte, genau wie Ted mir voll Stolz verkündet
hatte, sinnliche Wärme aus. Ted hatte zahllose Male lobpreisend ihre
›Einflugschneise‹ erwähnt, und ihre teure Garderobe war eindeutig
darauf abgestimmt – von Ted, wie ich vermute –,
diesen Vorzug möglichst herauszustreichen. Sie hatte einen starken
britischen Akzent, und wenn sie sich unterhielt, sprach sie mit leiser
Stimme, den schönen Kopf etwas vorgeneigt, wobei sie den Busen immer
wieder in flüchtigen, aber elektrisierenden Kontakt mit dem Arm ihres
Gesprächspartners brachte.
Das Abendessen nahmen wir im White Elephant ein, einem
Nobelklub um die Ecke in der Curzon Street, und fuhren anschließend ins
Annabelle, eine teure Kellerdiskothek, die irgendwie aussah, als sei
sie mal ein Teil der Ile de France gewesen. Ich fühlte mich jedoch von
der wilden Tanzerei und der lauten Musik, die in den Ohren dröhnte und
am Sprechen hinderte, so eingeschüchtert, daß trotz Susanna Middlekeys
Bemühungen mehr als eine aufregende Einflugschneise dazugehört hätte,
mich auf die Tanzfläche zu bringen.
Ohne meine erfolgreiche Maskerade bei Dans
Prozeß hätte ich mich niemals an Scotland Yard herangewagt. Da es
jedoch den Anschein hatte, daß Middlekey nicht mit nach Zonico und
Dongo kam, bestand für mich die um so dringendere Notwendigkeit, mir so
viele Informationen zu beschaffen, wie ich nur bekommen
konnte – auf welche Art, war mir gleichgültig. Außerdem: falls
meine Pläne tatsächlich zur Verwirklichung kamen, war dabei eine
wirksame Tarnung von größtem Vorteil, und je mehr Übung ich im
Maskieren bekam, desto besser für das, was noch alles bevorstand.
Ich kaufte mir also ein Lederetui, schob hinter das
Plastikfenster das Faksimile eines Polizeiausweises auf den Namen
Leutnant Fabbio Auri, das ich aus einem italienischen Kriminalmagazin
ausgeschnitten und mit meinem Foto überklebt hatte, und warf mich in
meinen italienischen Anzug. So ausstaffiert, präsentierte ich mich,
natürlich nur italienisch sprechend, dem Pförtner von Scotland Yard.
Ich spekulierte darauf, daß der Dolmetscher des Yard ein Engländer mit
Italienischkenntnissen war, statt umgekehrt, und sollte mit meiner
Vermutung recht behalten: Italienisch mit Cockney-Akzent. Ich wäre
beinahe geplatzt.
Ich zeigte dem Beamten an der Pforte meinen Ausweis. Die
italienische Beschriftung schüchterte ihn derart ein, daß er mir das
Dokument nach einem flüchtigen Blick wieder zurückgab. Den
Cockney-Dolmetscher neben mir, saß ich dann Inspektor C.O.R. McDermott
schweigend gegenüber und wartete, während er in der Akte blätterte.
»Also, sagen Sie Leutnant Auri, daß die Information aus dem
Beichtstuhl für Italienischsprechende der Kathedrale Our Lady of
Lourdes in Chelsea stammt. Wir erhielten sie von dem Priester, der dort
die Beichte abnahm. Offenbar gestand eines Tages ein hier auf Urlaub
weilender Italiener, seit vielen Jahren Kenntnis von dem Verbleib eines
Teiles des Schatzes zu haben, den Mussolini mitführte, als er aus
Mailand floh. Er sagte, er wisse, daß dieser Schatz rechtmäßig dem
italienischen Volk gehöre und daß es Sünde sei, so lange geschwiegen zu
haben, daß er nun aber um sein Leben bange und sich dieser Furcht
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