Der Schatz von Dongo
Turbinen, Generatoren
und so weiter –, und diese wurden alle in Schweden
hergestellt. So wurde aus der ›Holland Importing Company‹ in Amsterdam
die ›Holland Export-Import Company‹ in Stockholm, und die florierte.
Bis stammte aus einer alten, wohlhabenden Amsterdamer Familie, die
während des Krieges von den Nazis ausgerottet worden war. Mutter,
Vater, Brüder, Schwestern und Verwandte waren in den Verbrennungsöfen
der Nazis verschwunden. Zunächst war Bis selber verschont geblieben,
weil er mit einer Arierin verheiratet war, doch als auch dieser Schutz
allzu fragwürdig wurde, flüchtete er außer Landes. Er landete
schließlich beim britischen Geheimdienst und erwarb sich während des
Krieges einen glänzenden Ruf als Führer der holländischen
Widerstandsbewegung.
An meinem Ankunftstag fand gerade die alljährliche
Handelsmesse statt, daher konnte Bis mich nicht selbst abholen, sondern
schickte die Werbeleiterin seiner Firma, eine junge Frau namens Keva
Olsberg. Sie fuhr mit mir zum Messegelände, wo Bis in seinem
Ausstellungsstand gerade Verkaufsgespräche führte. Als er mich sah,
entschuldigte er sich bei seinem Kunden und kam sofort zu uns herüber.
»Tut mir wirklich leid, Paul, daß ich heute beschäftigt bin,
aber jetzt bin ich beinahe fertig. Lebhafter Verkauf, sehr lebhaftes
Magengeschwür. Keva, zeigen Sie Mr. Selwyn inzwischen die
Ausstellungshalle … Aber halt, wo bleiben meine guten
Manieren? Nicht einmal ein Millionenabschluß sollte …«
Er öffnete einen kleinen Kühlschrank und nahm eine vereiste
Flasche Aquavit sowie drei Flaschen Carlsberg-Bier heraus. Keva
schenkte das Bier ein, während Bis drei kleine Kristallgläser mit
eiskaltem Aquavit füllte. Er hob das Glas.
»Herzlich willkommen, Paul!« Den Aquavit kippten wir und
spülten mit einem kräftigen Schluck Bier nach. Ich hatte auf einmal ein
Gefühl, als brenne mein Magen. »Wir haben einen netten Abend
arrangiert, Paul. Keva, zeigen Sie ihm den amerikanischen Stand. Sei
vorsichtig mit dem Aquavit, alter Junge. Keva, vorläufig nicht zu viele
Begrüßungsdrinks, ja?«
Ich fand es höchst unwahrscheinlich, daß
irgend jemand in Zonico oder Dongo diesen Bis de Jong mit dem
hochgewachsenen, schmalen, jungen Offizier in Verbindung brachte, der
1945 vorübergehend dort gewesen war. Bis hatte nicht nur beträchtlich
zugenommen, sondern fast seinen ganzen, ehemals dichten Schopf
weizenblonder Haare verloren und trug eine Brille. Nein, es war da noch
etwas anderes, etwas, das den gesamten Menschen betraf: als hätte ein
ungeschickter Maskenbildner ihn für eine Rolle geschminkt, für die er
noch viel zu jung war. Er hatte eine sonderbare Patina entwickelt:
tiefe Runzeln, graue Haut, graues Haar, dunkle Augenringe über einer
verhältnismäßig jugendlichen Basis. Und das hatte zur Folge, daß man
erwartete, er werde jeden Augenblick seine Maske abnehmen und sein
jüngeres Ich sehen lassen. Viel leicht war das vorzeitige
Altern – Bis wirkte um mindestens zehn Jahre älter, als er
war – dieser Xanthippe von Ehefrau zuzuschreiben, von der Ted
gesprochen hatte. Und vielleicht war Teds junge Frau mit der
Einflugschneise verantwortlich dafür, daß Ted überhaupt nicht gealtert
war. Als ob die Drüsen das Altern je nach Bedarf beschleunigen oder
verzögern könnten.
Bis selber wohnte in einem Vorort, deswegen
hatte er mir ein Zimmer im Grand Hotel besorgt – am Hafen, dem
Königlichen Palast genau gegenüber. Mein Zimmer besaß einen kleinen
Balkon, von dem der Blick weit über den breiten, von zahlreichen
Brücken überspannten Strömmen-Fluß und die Regierungsgebäude an seinem
Ufer ging. Ich stand auf diesem kleinen Balkon, trank langsam ein
Pimm's Cup, das mir eine junge, blonde Bardame gebracht hatte,
betrachtete das vom Sonnenuntergang vergoldete Wasser um mich herum und
hatte das unerklärliche Gefühl, etwas bewältigt zu haben. Mit diesem
›Etwas‹ meinte ich wohl mein eigenes Schicksal. Es war eine wegen der
negativen Beweise völlig unlogische Woge von Zuversicht, daß ich es
geschafft hatte, eine Euphorie, die noch goldener war als die Sonne,
die auf das Wasser schien.
Die Euphorie hielt jedoch nur an, bis ich ins Foyer
hinunterging, um Bis und seine Frau Malla zu begrüßen. Malla war Finnin
und glich im Wesen dem finnischen Winter, der ja aus sechs Monaten
grauer Trostlosigkeit ohne Tageslicht besteht. Ich hatte immer gedacht,
es sei für die Finnen typisch, ununterbrochen zu schweigen und dazu
eine
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