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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.E. Hotchner
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ab wanderten wie Streikposten, und Mahlzeiten in der Offiziersmesse
waren von der Welt eines Ted Middlekey ebenso weit entfernt wie Santo
Stefano von Mayfair.
    Wie sich herausstellte, tranken wir bei White in der kleinen
Bar neben dem Billardzimmer nur eine Bloody Mary. Der Speisesaal wurde
renoviert, deswegen mußten die Mitglieder ihren Lunch ein paar Türen
weiter bei Boodles, Whites beinahe ebenso illustrer Konkurrenz,
einnehmen. Ich fühlte mich in beiden Klubs unbehaglich, vor allem in
Anbetracht der abfälligen Bemerkung, die Ted über die mir von Dan
geschenkten Kleidungsstücke gemacht hatte, aber auch gelegentlich ganz
allgemein. Denn es liegt etwas in der Art, wie die Stammgäste der Klubs
einen Außenseiter ansehen, das demoralisierend wirkt, und zwar ganz
gleich, wie gut oder wie schlecht der Fremde gekleidet ist. Nicht, daß
sie ihn verächtlich anstarren – im Gegenteil! Es ist ein sehr
flüchtiger Blick, ein sehr gleichgültiger, die Augen verweilen den
Bruchteil einer Sekunde auf dem Eindringling und wandern dann weiter
wie eine Hummel, die ganz kurz haltmacht, die Blüte als wertlos
einstuft und auf der Suche nach Nektar weiterfliegt. Da saß ich nun, in
Boodles' elegantem Speisesaal, bemüht, mir die Erinnerung an Gabeln und
Manieren wachzurufen, während aus dicken Goldrahmen würdige Ahnen auf
mich herunterstarrten und rings um mich distinguierte Herren gedämpft
über die Tagesereignisse sprachen, die zu lenken oder sogar zu
bestimmen sie eindeutig die Macht hatten. Da saß ich bei meiner zweiten
Bloody Mary, die mein Wahrnehmungsvermögen schärfte, während meine
Ohren, vorbei an Teds Bericht über das letzte Mal, als er mit Bis de
Jong ein Wochenende in Paris verbrachte, auf die Konversation um mich
her lauschten. Da saß ich, und mein Entschluß, die Schatzsuche
durchzuführen, festigte sich immer mehr.
    »Hör mal, Ted, es ist ja sehr nett von dir, daß du mich zu
deinem Schneider mitnehmen willst und so, aber ich mache mir gar nicht
soviel aus …«
    »Das spielt keine Rolle. Ich weiß, im Vergleich zu dem, was
dich im Augenblick beschäftigt, ist es eine verhältnismäßig unwichtige
Sache, aber du wirst dich wundern, wie gut es dir tut. Macht einen ganz
neuen Menschen aus dir. Und meiner Seele tut es
ebenfalls gut, falls du dir denken kannst, was ich meine. Im Büro
brauchen sie mich jetzt nicht, heute ist ein freier Nachmittag für
mich, und ich möchte dich einmal so richtig verwöhnen. Also sei still
und widersprich mir nicht!«
    Der Nachmittag wurde zu einer wahren
Verwöhnorgie. Benson, Perry & Whitley, 9 Cork Street, Mr.
Whitley persönlich, weiße Weste, weißer Schnurrbart, geschickt Maß
nehmend, Stoffe empfehlend, vier Knöpfe am Ärmel, keine Manschetten, in
der Taille leicht eingehalten, knapp auf den Hüften, ohne Gürtel.
Gegenüber, 27 Cork Street, C.J. Cleverly, Maßschuster, groß, hager,
uralt, die Seiten eines riesigen Buches vorweisend, in das sich einst
der Prince of Wales, Clemenceau, Leslie Howard, Lloyd George, der
Herzog von Argyll eingetragen hatten und auf dem nun The Hon. Paul
Selwyn, Esq. geschrieben stand, Plattfüße eng zusammen, während der
alte Cleverly sich unter Knirschen und Knacken bückte, das Geräusch
einer heruntergelassenen Jalousie, dann sein Bleistift, der die Umrisse
der Füße von The Hon. Paul Selwyn nachzog.
    Um die Ecke Mr. Fish, danach Blades, doch abgesehen von einer
Krawatte bei Blades – leuchtende Farben, kreuz und quer und im
Zickzack, eine Explosion in Technicolor –, konnte ich Ted
überzeugen, daß ich für die feilgebotenen Bekleidungsstücke noch nicht
reif war. Und ganz bestimmt noch nicht reif für Mr. Fish.
    Dann aber Turnbull & Asser in der Jermyn Street,
Hemden aus Baumwolle, fein wie Seide, glänzende Krawatten und etwas,
das der flinkfüßige Verkäufer euphemistisch als ›seidene
Unterbekleidung‹ bezeichnete – dafür war ich schon reif, o ja!
Anschließend die Geschäfte der New Bond Street, Mr. Middlekey
zuvorkommend empfangen, seine dünnen Dunhill-Havannas, seine Signoricci
Aftershave Lotion, Duplikate seiner Manschettenknöpfe, und so weiter,
ich nunmehr ganz und gar verführt, mich selber verwöhnend und, fürchte
ich, allmählich auch gierig geworden. Eine Erinnerung meldete sich:
neun Jahre alt, Onkel Brody, der erfolgreiche Herrenausstatter aus
Keokuk, am vierten Juli zu Besuch in St. Louis auf einer
Geschäftsreise. Nicht genug zu essen, zerlumpte Kleidung, zerfetzte
Schuhe, doch Onkel Brody

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