Der Schatz von Dongo
finstere Miene aufzusetzen. Malla de Jong hingegen gab ein nicht
enden wollendes nasales Nörgeln von sich, und das in einem kreischenden
Ton, der ebenso ohrenbetäubend war wie die Strahlwerke eines
Düsenflugzeuges vor dem Start. Sie wurde nicht müde, allem, was Bis
sagte, böse und scharf zu widersprechen oder ihm bissig ins Wort zu
fallen und seine Sätze zu Ende zu führen. Sie sah ihn nie an und redete
über ihn, als sei er gar nicht vorhanden. Auf ihrer Oberlippe sproß ein
Damenbart, beherrscht wurde ihr Gesicht jedoch von zwei großen, recht
einschüchternden schwarzen Augen, die, wenn sie sprach, in unablässiger
Bewegung waren.
Keva Olsberg, die mit uns essen sollte, verspätete sich um ein
paar Minuten, doch Malla de Jong lehnte es ab, auf sie zu warten.
»Diese Schwedinnen haben überhaupt kein Gefühl für Anstand. Eine
Angestellte! Sie hätte vor uns hier sein und auf uns warten müssen. Der
Tisch ist reserviert, wir werden den Kellner nicht warten lassen!«
Keva traf ein, noch ehe wir Platz genommen hatten. Die
Verwandlung von der tüchtigen Werbefachmännin bei Tag in die
Dinnerbegleiterin für einen Freund ihres Chefs am Abend war
verblüffend. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid mit tiefem
Ausschnitt, das ihre blonden Haare wunderbar unterstrich. Auf der Messe
hatte sie das Haar hochgesteckt getragen, jetzt fiel es ihr offen bis
auf die Schultern herab: weißblond und weich wie der junge Mais. Ihre
Augen waren chamäleonblau – immer wieder nahmen sie einen
anderen Farbton an –, die Nase zu fleischig und das Gesicht zu
rund, doch ergaben Haar, Augen und zierlicher Hals zusammen eine
überraschende Kombination.
Der Wintergarten, in dem wir aßen, war der Hauptspeisesaal des
Grand Hotels, eingerichtet im Stil eines üppigen spanischen Gartens mit
vorgetäuschten maurischen Fenstern und Balkonen über den Köpfen der
Speisenden. Das Ganze erinnerte mich stark an die maurische
Eingangshalle des Fox-Kinos in St. Louis. Die Mitglieder der Kapelle,
alle mit Stehkragen, spielten Foxtrotts, gelegentlich auch eine Rumba
oder Samba, und Miniröcke waren nirgends zu sehen.
Von dem Augenblick an, da wir uns setzten, hielt Malla de Jong
nicht eine einzige Minute den Mund. Sie bestand darauf, mir jedes
Gericht auf der Speisekarte zu erklären, obwohl die englische
Übersetzung daneben stand. Sie lehnte alle schwedischen Speisen
grundsätzlich ab und zwang mich praktisch, canard aux cerises zu bestellen – das gleiche Gericht, das sie selber bestellte,
und eigentlich das letzte, was ich bei meinem ersten Besuch in Schweden
essen wollte. Dazu als Vorspeise foie gras – im Land der Heringe!
Als Malla einmal vorübergehend Bis mit ihrem nasalen Gekreisch
beglückte, um ihn wegen einer Vergeßlichkeit in irgendeiner
Haushaltsangelegenheit herunterzuputzen, fragte mich Keva, die neben
mir saß: »Möchten Sie tanzen? In Schweden geht das: die Damen können
die Herren auffordern.«
Als wir zu tanzen begannen, schmiegte sie sich mit ihrem
ganzen Körper an mich und legte die linke Hand in meinen Nacken. Es war
ein sehr unmittelbarer, erregender Kontakt. »Bitte, lachen Sie nicht
über mein Englisch. Ich habe es ganz allein gelernt. O ja, ein bißchen
auch in der Schule. Aber ich bin nicht sehr weit gekommen. Nicht mit
meinem Englisch und nicht mit der Schule. Die beiden de Jongs sprechen
es so perfekt, und das ist sehr peinlich für mich.«
»Ihr Englisch ist ganz ausgezeichnet.«
»Es ist sehr selten, daß ich so wie heute für Mr. de Jong
ausgehe. Es war von Anbeginn meiner Arbeit ausgemacht, daß ich nicht
mit Geschäftsleuten ausgehen muß. Vor allem nicht mit den schwedischen.«
»Und warum vor allem nicht mit den schwedischen?«
»In meinem Privatleben gehe ich auch nicht mit schwedischen
Männern aus. Ich bin geschieden und habe zwei kleine Söhne, aber ich
gehe nicht mit Schweden aus. Sie denken jetzt … Es ist so: die
schwedischen Mädchen mit ihren Antibabypillen machen es einem sehr
schwer in Stockholm, eine Frau zu sein. Man kann nicht mit einem Mann
essen gehen ohne das Bett hinterher. So sitzt man zu Hause und liest
und läßt die Männer sein. Wenn man einen Mann will, ruft man besser
einen guten Freund an und sagt, komm zu mir, schlaf mit mir. Aber es
sind die schwedischen Mädchen, die so schrecklich sind. Alles, was Sie
darüber gehört haben, ist noch mehr als wahr, als Sie es gehört haben.
Ich habe einen jungen Freund, einen Italiener, der zur Universität
geht. Er ist sehr
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