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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.E. Hotchner
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dachte schon, Dan wäre eingeschlafen, da begann er mit
geschlossenen Augen laut in seinen Erinnerungen zu kramen. »Weißt du,
damals, als wir uns kennenlernten und der Krieg aus war, da wußte ich
ganz genau, was ich wollte und was aus mir werden würde. Es war die
einzige Zeit meines Lebens, in der ich mich genau zu kennen glaubte.
Das Schreiben bedeutete mir damals sehr viel. Ich pflegte zu sagen,
Amerika habe nur zwei große Schriftsteller hervorgebracht, Melville und
Twain. Und dann schwafelte ich davon, daß sie die einzigen wahren
Genies seien, und so weiter und so weiter, und daß es jetzt endlich ein
drittes geben werde: Dan H. Reeder. Und dann zog ich über all die
anderen Wichtigtuer vom Leder:
    Hemingway, Faulkner, F. Scott, Steinbeck und alle, nahm sie
auseinander, bezeichnete ihre Arbeit als Scheiße. Ich war meiner so
sicher, Mann – so sicher wie ein Fels. Als ich wieder Zivilist
wurde, fühlte ich mich stark. Ich hatte einen geraden Weg vor mir, all
meine Illusionen waren intakt und mein Ego konnte sich mit einem
Wolkenkratzer messen. Aber ich verpfuschte mein Leben. Ich ließ meinem
großen Genie keine Chance. Ich verpatzte alles und ging in
Deckung – nahm mir die erstbeste Frau, die mir über den Weg
lief, begab mich freiwillig in diese verdammte Zwangsjacke, die jeder
Ehemann trägt, und gab den Gedanken, der dritte hinter Melville und
Twain zu werden, endgültig auf.
    Ich lief also davon, lief und lief. Irrgarten statt gerader
Weg. Wirbel. Hinauf, hinunter, rückwärts, hin und her. Was macht es
schon? Seht Dan! Seht an, wie Dan rennt. Seht an, wie schnell Dan
rennt. So schnell, daß alles wie ein Schatten an ihm vorbeihuscht und
Dan nicht sehen kann, wo er gewesen ist, wo er ist und wohin er geht.
Er rennt mit den Fernsehkameras, rennt mit den beautiful
people , rennt hinter jeder
herausfordernden Schürze her. Ich glaube, man könnte sagen, es ist
meine Unsicherheit. Ich glaube, daß ich diesen Fernsehmist produzieren
muß, um mir zu beweisen, daß ich im Grunde ein großartiger Kerl bin.
Sie bringen ja mehr von mir als von allen anderen. Qualität? Quatsch!
Quantität ist wichtig. Quantität bringt den Ruhm. Und die Beute. Weißt
du, daß ich noch nie richtig geliebt habe? Es ist wie bei der
Schnepfenjagd. Man pirscht sich an, scheucht sie hoch, schießt sie ab,
hängt sie sich an den Gürtel und pirscht weiter. Natalie weiß Bescheid.
Sie spricht es offen aus. Sie ist eine großartige Frau, meine Natalie.
Sie sagt: Dan braucht Bestätigung.«
    »Aber was beweist das, Dan? Ich meine, diese endlose
Schürzenjagd, bis du eines Tages merkst, daß du dir nur selber
hinterherrennst?«
    »Das will ich dir sagen, Paul. Wenn man so ein richtig
attraktives Stück Weib 'rumkriegt, dann weiß man, daß man noch alles
hat. Der Nervenkitzel der Jagd – damit beweist man sich etwas.
Nur manchmal, wie jetzt zum Beispiel, halte ich einen Augenblick inne
und beobachte mich selbst, wie ich da oben im weiten Himmel hänge, und
dann weiß ich, daß dies keine Lebensart ist. Es ist nicht einmal
wirkliches Leben. Es ist eine Scheiß-Fatamorgana,
und eines Tages wache ich wieder auf und bin in der Wirklichkeit, und
die besteht aus einem Berg toter Schnepfen und fünfzig Kilometer alte
Fernsehfilmrollen.«
    Eine der Angelleinen zuckte, aber es war nur ein Flußbarsch.
Wir packten unsere Siebensachen zusammen und kletterten schon die
Uferböschung hinauf, da sahen wir an einem Baum die Holzkiste liegen.
Sie war mit einer dichten Schlammkruste überzogen und eindeutig erst
kürzlich geöffnet worden. Das Holz innen war ganz sauber. Die Kiste war
leer. Dan nahm sein Fischmesser und kratzte vorsichtig an der
Schlammschicht herum. Es war durchaus keine gewöhnliche Holzkiste, denn
als Dan weiterkratzte, sahen wir, daß es eine Art Kassette mit
eingepaßtem Deckel war. Und schließlich entdeckten wir auch die
Markierung – verblaßt, aber noch deutlich zu erkennen: eine
Reihe von Zahlen und eine militärische Bezeichnung.
    »Ich finde, wir sollten sie uns einzeln vornehmen«, sagte ich.
»Aber gleichzeitig. Nimmst du Bis?«
    »Sollen wir uns vorsichtig ans Thema herantasten?«
    »Nein. Wir sagen es ihnen am besten gleich ins Gesicht: Warum
habt ihr uns nichts davon gesagt, daß ihr die Kiste gefunden habt. Was
hat sie enthalten?«
    Als wir auf dem Rückweg über die Piazza von
Dongo kamen, saß Signora Gattamelata allein an einem Tisch vor dem
Café, trank eine Tasse Kaffee und las in der ›Epoca‹. Dan stieg

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