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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.E. Hotchner
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aus,
und ich fuhr allein nach Zonico weiter.

13
    T ed und Bis erzählten unabhängig voneinander
praktisch die gleiche Geschichte: Es war nichts weiter als eine alte,
leere Kiste gewesen, warum sollten sie die groß erwähnen? Sie hatten
viele wertlose Gegenstände am unteren Teil des Flußufers gefunden, wo
der Boden weich und matschig war. Nein, sie wußten nicht, daß die Kiste
eine militärische Kennzeichnung aufwies. Die dicke Schlammschicht hatte
alles verdeckt.
    Signora Gattamelata erwies sich als aufschlußreicher, aber
auch unglaubwürdiger. Vor langer Zeit – der Krieg war gerade
vorüber – hatte sie im ›Fagiano‹, dem einzigen Restaurant von
Dongo, gegessen. Plötzlich war ihre Gabel auf etwas Hartes gestoßen,
das sich zu ihrer Verwunderung als das bezaubernde Medaillon entpuppte,
das wir bei ihr auf dem Empfang gesehen hatten. Gewiß, die Gravur war
eindeutig. Nein, sie hatte niemals daran gedacht, es den Behörden zu
übergeben. Warum auch? War alles andere nicht ebenfalls verschwunden?
Sobald die anderen ihre Sachen ablieferten, würde sie das Medaillon
auch hergeben.
    Meine einsamen Nächte waren eine einzige Folge von
verzweifelten Gedanken.
    Wenn wir uns in unsere Zimmer zurückgezogen hatten, lag ich
hinter meiner verschlossenen Tür schlaflos in meinem Messingbett, und
dann passierte die Realität vor meinen Augen Revue. Die Realität Iris,
die Realität Keva, die Realität, daß soviel Zeit vergangen war und ich
so wenige dieser Realitäten aufzuweisen hatte.
    In dieser Nacht nun hatte ich mich, da mein Schlaf doch von
diesen Realitäten gestört wurde und ich nicht einmal zum Lesen fähig
war, an den Tisch gesetzt, den ich als Schreibtisch benutzte, und mich
wieder einmal mit den mageren Anhaltspunkten beschäftigt, die uns zur
Verfügung standen. Dabei war ich auf die Aussage der Bianca Calli beim
Prozeß von Padua gestoßen und hatte zum hundertsten Male ihre Worte
gelesen: ›Als die Liste abgetippt werden sollte, nahm Gianna sie mit in
die Schule, wo ihr jemand dabei half.‹ In dieser Nacht jedoch formte
sich plötzlich eine Frage in meinem Kopf: Wer konnte in einer Schule
helfen? Logische Antwort, du Tölpel: eine Lehrerin. Wer konnte, als
Gianna jemanden zum Abtippen suchte, bessere Hilfe leisten? Je mehr ich
darüber nachdachte, desto notwendiger erschien mir ein Besuch in der
Schule von Dongo.
    Undgeduldiges Warten auf den Tag machte die Nacht endlos lang.
    Elenora Campisi war als einzige von den
Lehrern übriggeblieben, die 1945 hier unterrichtet hatten. Sie war
ziemlich alt, aber sehr lebhaft und voll Energie. Ich suchte sie gleich
nach dem Unterricht auf, als gerade die letzten Schüler die Klasse
verließen. Sie war auch auf dem Empfang gewesen, daher wußte sie, wer
ich war.
    »Ich möchte mit Ihnen über eine Angelegenheit sprechen, die
ich natürlich streng vertraulich behandeln werde. Wie ich hörte,
besitzen Sie eine Kopie der Liste von Mussolinis Schatz, die Sie im
Jahre 1945, als sie aufgestellt wurde, abgetippt haben. Diese Kopie
hätte ich mir gern einmal angesehen. Ich werde selbstverständlich kein
Wort über den Inhalt oder Ihre Person verlauten lassen.«
    Erschrocken lehnte sie sich auf ihren Stuhl zurück. Ihre Augen
waren groß geworden, der Mund stand offen. Sie hob die bebende rechte
Hand an den Mund. Ihre Lippen bewegten sich ohne Laut.
    Sie wandte den Blick ab, richtete ihn dann wieder auf mich,
und ich stellte fest, daß das Erstaunen eiskalter Furcht gewichen war.
    Da hatte ich meine Antwort. Der Schuß ins Ungewisse hatte
getroffen. Die Lehrerin hatte Gianna geholfen und der Versuchung,
heimlich eine Kopie der Abschrift zurückzubehalten, nicht widerstehen
können.
    »Diese Liste ist für mich sehr wertvoll. Ich bin bereit, einen
guten Preis für Ihre Hilfe zu zahlen.«
    »Nein, Signor – keine Bezahlung.« Ihre Stimme klang
müde. Sie nahm ihre Nickelbrille ab, putzte sie und setzte sie dann
vorsichtig wieder auf. »Eigentlich ist es eine Erleichterung, endlich,
nach so vielen Jahren, darüber sprechen zu können. So lange hatte ich
furchtbare Angst, und auch mit gutem Grund. Jetzt aber bin ich alt, und
vielleicht sind auch die, die diese Furcht in mir geweckt haben, ein
wenig nachsichtiger geworden – so oder so. Auf jeden Fall habe
ich wenig zu verlieren. Aber ich verstehe nicht, was Sie damit zu tun
haben. Ich meine, in welchem Zusammenhang steht das mit Ihren
Ausgrabungen?«
    »Unsere Expedition dient verschiedenen Zwecken.«
    »Das ist mir

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