Der Schatz von Dongo
ebenfalls tot –
umgekommen durch eine Tretmine, die zwei Jahre nach Kriegsende auf
einem Acker explodierte.
»Ich bin richtig froh, daß Sie gekommen sind. Es ist sehr
schwer, ein Geheimnis so lange mit sich herumzutragen. Aber ich weiß,
daß Sie sich für alles interessieren, was hier passiert ist, als
Mussolini gefangengenommen wurde.«
Ich spürte das Blut in meinen Schläfen klopfen, als sie an
einen großen alten Schrank in der Ecke ging. Sie zog das Bodenbrett
heraus, griff hinter eine falsche Rückwand und holte eine quadratische,
mit Bindfaden verschnürte Pappschachtel heraus. »Ich war auch auf der
Piazza von Dongo – damals, an dem Tag, als sie die Lastwagen
abluden und die Sachen vom Duce wegbrachten. Und da … na ja,
da habe ich mir eben etwas genommen, wie es die anderen auch alle
taten. Aber das ist keine Entschuldigung. Ich bin eine rechtschaffene
Frau und habe niemals gestohlen oder nach etwas getrachtet, was mir
nicht gehört, nicht einmal geborgt habe ich mir jemals etwas –
bis auf dieses eine Mal. Sogar bei der Beichte habe ich in all diesen
Jahren davon nicht sprechen können. Aber Sie haben etwas an sich, so
wie Sie bei dem Empfang zu uns gesprochen haben … Da spürte
ich einfach, daß ich Ihnen alles sagen, daß ich Ihnen vertrauen kann.«
»Das können Sie, Signora. Das versichere ich Ihnen. Ihr
Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.«
Ich versuchte mich zusammenzunehmen und ruhig zu bleiben, als
ich jetzt den Bindfaden löste und die Schachtel öffnete. Doch meine
Finger zitterten. Jetzt war der Deckel herunter, die alte Dame
entfernte eine Lage Seidenpapier, und dann hob sie ihn behutsam heraus:
einen alten deutschen Stahlhelm. »Das ist der Helm, den der Duce trug.
Er zog zuerst seinen deutschen Mantel aus, dann nahm er den Helm ab. Er
ließ ihn einfach fallen. Der Helm rollte ein Stück, bis er genau vor
meinen Füßen liegenblieb. Ich konnte nicht widerstehen. Alle hatten nur
Augen für Mussolini, daher hat niemand gesehen, wie ich ihn aufhob und
unter meinen Mantel steckte. Würden Sie ihn mal auf setzen? Ich habe
ihn so oft hervorgeholt, aber ich habe ihn noch nie jemandem gezeigt.
Ich möchte gern wissen, wie er aussieht. Würden Sie ihn bitte
aufprobieren?«
Tage vergingen. Die erwartungsvolle Spannung
ließ nicht nach. Einwohner kamen, voll Neugier auf die Ausgrabungen.
Pater Donato kam mit komplizierten archäologischen
Instrumenten – und mit Fragen. Der Bürgermeister von Zonico
kam mit einem Reporter aus Menaggio.
Aber niemand kam im Zusammenhang mit dem Schatz. Falls wir
Nervosität und Verdacht erregt hatten, so zeitigten sie kein Ergebnis.
Ted und Bis hatten berichtet, daß ihre Suche am Mera-Ufer ebenfalls
negativ verlaufen sei.
Es war nicht zu leugnen: falls wir weiterkommen wollten,
mußten wir selber den ersten Schritt tun und durften nicht auf den
Anstoß von seiten eines unbekannten, aber entgegenkommenden
Außenstehenden warten. Paulo Benfatto hatte mir das Stichwort gegeben:
Angst. »Hier in der Gegend hat keiner viel darüber zu sagen.« Er hatte
nicht behauptet, daß die Leute nichts wüßten, sondern nur, daß niemand darüber sprechen würde. Wir mußten also
sorgfältig jeden Anhaltspunkt abwägen, den wir hatten, ganz gleich, wie
belanglos er scheinen mochte, denn wir hatten deren so wenige, daß wir
es uns gewiß nicht leisten konnten, wählerisch zu sein. Falls es uns
gelang, den Deckel von Dongo zu lüften, und sei es auch nur um eine
Winzigkeit, so würden vielleicht Informationen herausgetröpfelt kommen.
Aber wie das Unmögliche bewerkstelligen? Angst ist ein sehr festes
Siegel, das lernt man, wenn man so viele Jahre im Zuchthaus verbringt.
Die Menschen verschanzen sich hinter einer Mauer aus absolutem
Schweigen, sie geben lieber einen Teil ihres Lebens hin, als sich der
Vergeltung auszusetzen.
Dan und ich fuhren an den Mera-Fluß und unterhielten uns
während der Fahrt. Ted und Bis hatten zwar in punkto Schatzsuche
negative Ergebnisse vermeldet, aber sie hatten uns auch von dem reichen
Unterwasserleben des Flusses berichtet, und Dan, der ein begeisterter
Angler war, vermochte mich ganz leicht davon zu überzeugen, daß ein
freier Nachmittag, weit weg von dem alles andere als brodelnden
Hexenkessel Dongo, eine recht angenehme Abwechslung sei.
Dan fuhr, und ich redete. »Also, welche Anhaltspunkte haben
wir? Mrs. Gattamelata und ihr Claretta-Petacci-Schmuck. Giorgio hat ihr
Haus von oben bis unten durchsucht, und wenn er sagt, daß da
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