Der Schatz von Franchard
Der Doktor folgte ihm, von Kopf bis zu Fuß in schneeweißes Leinen gekleidet, mit einem ungeheuren flaschenfarbenen Sonnenschirm bewaffnet und einer Botanisiertrommel am Gürtel, und die Equipage fuhr alsbald in schlankem Trabe in selbsterzeugtem Wirbelwind davon. Das Ziel war Franchard, der Zweck, Pflanzen zu sammeln, im Hinblick auf die »Vergleichende Pharmacopoea«.
Ein kurzes Rattern auf der offenen Landstraße und sie hatten den Rand des Waldes erreicht und bogen auf einen unbefahrenen Weg ein. Das Gig schaukelte zur Begleitung des Geräuschs knackender Zweige sanft über den Sand hinweg. Zu Häupten spannte sich eine große, grüne, leise murmelnde Wolke dichten Laubes. In den Bogengängen des Waldes hatte die Luft die Frische der Nacht beibehalten. Die athletische Haltung der Bäume, die statuengleich jeder einen Berg Blätter zu stemmen schienen, erfreute das Herz; und die Umrisse der Stämme führten den bewundernden Blick aufwärts dorthin, wo die äußersten Blattspitzen in einem Fleck von Azur glänzten. Kurz, es war der richtige Ort für einen Anhänger der Göttin Hygieia.
»Bist du schon in Franchard gewesen, Jean-Marie?« erkundigte sich der Doktor. »Ich glaube nicht.«
»Niemals,« erwiderte der Junge.
»Es ist eine in einer Schlucht gelegene Ruine,« fuhr Desprez in belehrendem Tonfall fort; » die Ruine einer Klausnerei und Kapelle. Die Geschichte weiß viel von Franchard zu erzählen; daß die Einsiedler häufig von Räubern ermordet wurden; daß sie eine höchstungenügende Diät hielten, und daß man von ihnen erwartete, daß sie ihre Tage im Gebet zubrächten. Ein Brief voll der vorzüglichsten hygienischen Ratschläge von einem Vorgesetzten des Ordens an einen dieser Einsiedler ist uns erhalten geblieben; er rät ihm, von seinem Buch zum Gebet sich zu wenden und dann wieder zum Buche zurück, der Abwechslung halber, und, wenn er beides satt habe, im Garten zu wandeln und den Honigbienen zuzuschauen. Dies ist auch heute noch mein System. Du wirst häufig bemerkt haben, daß ich – oft in der Mitte eines Satzes – meine Pharmacopoea im Stich ließ, um an die Sonne und die Luft zu gehen. Ich bewundere den Verfasser dieses Briefes aus tiefstem Herzen; er war ein Mann, der über die meisten Dinge nachgedacht hatte. Ja, hätte ich im Mittelalter gelebt (Gott sei Dank, daß ich es nicht tat), ich wäre auch Eremit geworden ... das heißt, wenn ich nicht von Beruf Narr geworden wäre. Diese waren damals noch die einzigen, die philosophisch leben durften, ob lachend, ob weinend, ob im Spott, ja, man kann sagen, sogar in ihren Tränen. Bis die Sonne des Positiven tagte, blieb dem Weisen nichts übrig, als zwischen diesen beiden zu wählen.«
»Ich wäre natürlich ein Narr geworden,« bemerkte Jean-Marie.
»Ich kann mir nicht denken, daß du dich in deinem Berufe ausgezeichnet hättest,« sagte der Doktor, den Ernst des Jungen bewundernd. »Lachst du eigentlich jemals?«
»Oh ja,« entgegnete der andere. »Ich lache häufig. Ich habe Witze sehr gern.«
»Seltsames Wesen!« meinte Desprez. »Aber ich divagiere. (Ich merke an tausend Dingen, daß ich alt werde.) Franchard wurde schließlich in den englischen Kriegen, die auch Gretz schleiften, zerstört. Aber – und hierauf kommt es an – die Klausner (denn inzwischen gab es ihrer schon mehrere) hatten die Gefahr vorausgesehen und die Opfergefäße sorgfältig versteckt. Diese Gefäße hatten ungeheuren Wert, Jean-Marie, – einen ungeheuren, ja man kann sagen, unschätzbaren Wert; sie waren herrlich gearbeitet, von kostbarstem Material. Und jetzt höre auf mich, – man hat sie niemals gefunden. Unter der Regierung Ludwigs des Vierzehnten gruben einige Kerls ganz in der Nähe der Ruinen nach. Plötzlich – tock! – stieß der Spaten gegen einen harten Gegenstand. Stell dir vor, wie die Männer sich anblickten; wie ihre Herzen klopften, wie sie die Farbe wechselten. Es war eine Truhe – die Stelle, wo der Schatz von Franchard begraben lag! Wie hungrige Raubtiere rissen sie den Deckel hoch. Aber ach! Es war nicht der Schatz, sondern nur einige Priestergewänder, die, sowie sie mit der zehrenden Luft in Berührung kamen, zusammensanken und in Staub zerfielen. Der Schweiß dieser braven Kerls ward ihnen am Körper eiskalt, Jean-Marie. Ich möchte meinen Ruf dafür verpfänden, daß, falls gerade ein schneidender Wind wehte, der eine oder andere von ihnen sich für seine Mühe sogar eine Lungenentzündung holte.« »Ich hätte gern gesehen,
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