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Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Titel: Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Barkawitz
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ab. Wenig später saßen sie am Küchentisch der Puffmutter und löffelten die heiße saure Suppe in sich hinein. Boysen war froh, dass er einstweilen nichts sagen musste. Und seine Stimmung verbesserte sich noch mehr, als ihn die dicke Stine später in ihr Bett holte. Okkinga war bereits mit einer grazilen Brünetten verschwunden.
    Allerdings war es mit Boysens guter Laune vorbei, nachdem er Stines Nachthemd ausgezogen hatte und den großen blau-violetten Fleck auf ihrem Bauch entdeckte. Die Ränder verfärbten sich bereits gelblich.
    »Wer war das?«, blaffte Boysen. »Gustav?«
    Das Freudenmädchen nickte. »Wir haben uns gestritten, und Guschi war wieder besoffen. Er glaubte, es wäre ein Kind unterwegs. Er hat mir in den Bauch getreten, damit es weggeht. Aber da war gar kein Kind, Lukas.«
    »Dein Freund ist ein Dreckskerl, Stine«, stellte Boysen fest und legte seinen Waffenrock ab. »Das wird nicht wieder passieren, das verspreche ich dir.«
    Wenig später hatte der Offiziant keinen Faden mehr am Leib. Er glitt auf Stines fülligen Körper, zwischen ihre einladend gespreizten Schenkel. Für einen Moment hatte Boysen wieder das Bild der ermordeten Marie Stevens vor seinem geistigen Auge. Es war grausam, selbst für einen hartgesottenen Udel wie ihn. Er biss die Zähne zusammen.
    »Es wird alles gut«, flüsterte Stine in sein Ohr. Sie spürte instinktiv, wie finster es in seinem Inneren war. »Komm, ich lasse dich deine Sorgen vergessen.«
    Und das schaffte sie wirklich, jedenfalls für eine halbe Stunde.

 
     
     
    2. Kapitel: Vampire im Hafen
     
    Nach dem Besuch bei Stine gönnte sich Boysen in seinem Untermietzimmer wenige Stunden Schlaf. Als er später bei seiner Vermieterin, Frau Borchers, beim Frühstück saß, erschien ein junger Constabler.
    »Sie sollen unverzüglich ins Stadthaus kommen, der Inspector will Sie sprechen«, sagte der Schnösel statt einer Begrüßung. Boysen biss demonstrativ in sein Rundstück.
    »Siehst du nicht, dass ich schon unterwegs bin?«, fragte er kauend. Der junge Constabler öffnete den Mund und schloss ihn wieder, wodurch er an einen Fisch auf dem Trockenen erinnerte. Auf Boysens ironische Frage fiel ihm keine passende Antwort ein. Außerdem stand der Offiziant in der Rangordnung über ihm. Also salutierte der Bursche schweigend und machte sich wieder aus dem Staub.
    »Sie arbeiten zu viel, Herr Boysen«, sagte Frau Borchers. Sie war eine hagere Witwe Anfang 60.
    »Das Verbrechen schläft nicht, Frau Borchers«, gab der Offiziant lächelnd zurück. Er straffte seine Hosenträger, legte den Waffenrock an und schnallte das Koppel um. Dann verließ er das Mietshaus am Hopfenmarkt.
    Weit hatte er es nicht zum Stadthaus, dem Hauptquartier des Constabler Corps. Boysen schlenderte am Mönkedamm-Fleet entlang. Der Gestank des fauligen Wassers ging ihm immer mehr auf die Nerven. Seit Wochen hatte es schon nicht mehr geregnet, und an diesem 21. August 1892 war es schon am Vormittag verflucht heiß. Der Offiziant schob sich ein Stück Kautabak in den Mund. Er hatte die leise Hoffnung, durch das starke Aroma den Fäulnisgestank von den Fleeten aus der Nase zu bekommen.
    Natürlich fragte Boysen sich auch, was der Inspector von ihm wollte. Lanke war der oberste Beamte des Constabler Corps. Er unterstand direkt dem Hamburgischen Senat. Ob es wieder einmal um Boysens lasche Dienstauffassung ging? Das war eine Möglichkeit. Der Offiziant konnte sich allerdings an keine Sünde erinnern, die dem Inspector zu Ohren gekommen sein konnte.
    Boysen suchte gelegentlich Stine auf, was mit dem geforderten untadeligen Lebenswandel eines Ordnungshüters eigentlich unvereinbar war. Aber erstens tat er das schon seit Jahren, und zweitens konnte sich Boysen nicht vorstellen, wer ihn angeschwärzt haben sollte. Und dass ihm öfter einmal die Hand ausrutschte, wenn ein Ganove oder Zuhälter frech wurde – diese Kerle hassten ihn gewiss, aber sie würden ihn doch nicht bei seinem Vorgesetzten verpetzen.
    Oder?
    Boysen zerbrach sich darüber nicht den Kopf. Er nahm die Dinge, wie sie kamen. Mit dieser Lebensphilosophie war er immerhin schon 48 Jahre alt geworden. Dabei hatte er so manches Mal am Abgrund des Todes gestanden, doch sein Einfallsreichtum oder schlicht und einfach sein Glück hatten ihn immer wieder überleben lassen.
    Der Offiziant ging den Großen Burstah hinauf. Fuhrwerke rollten an ihm vorbei. Die meisten Passanten waren Kaufleute und andere Büromenschen, die in den neuen Kontorhäusern

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