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Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Titel: Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Barkawitz
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nickte und machte sich auf den Weg. Boysen wartete, bis die schwarze Kutsche eingetroffen war und das Mordopfer abtransportiert wurde. Er nahm von Dr. Ahler den Totenschein entgegen und verabschiedete sich von dem Mediziner.
    »Komm mit!«, sagte Boysen zu Lüders. Der junge Tagelöhner hatte sich von dem grausigen Leichenfundort abgewandt und hockte auf einer Kaimauer, als ob ihn das Ganze nichts anginge. Nun trabte er Seite an Seite mit dem Offizianten zur Brooktorwache. Die Hände hatte er tief in die Hosentaschen gestopft, als ob ihm kalt wäre. Dabei war die Augustnacht mild und klar.
    »Was hat der denn schon wieder ausgefressen?«, fragte Constabler Brügge, als Boysen mit dem Schläger das Wachtlokal betrat.
    »Ausnahmsweise nichts. Bring uns mal einen Muckefuck, Brügge!«
    Lüders ließ sich steifbeinig wie ein Greis auf einen Hocker fallen. Boysen griff zum Federhalter und brachte die Aussage des Tagelöhners zu Papier.
    »Trink deinen Kaffee, Paul!«, raunzte der Offiziant. »Oder weißt du es nicht zu schätzen, wenn die Udels dich einladen?«
    Der Tagelöhner schlürfte gottergeben die heiße Flüssigkeit. Boysen wollte ihn aus seiner Lethargie reißen. Und der Offiziant schaffte es immerhin, dass Lüders seinen Namen unter die eng beschriebene Seite kritzelte.
    »Du kannst jetzt gehen«, sagte Boysen und stand selber auf. »Kann sein, dass ich in den nächsten Tagen nochmal bei dir vorbei schaue.«
    »Und was ist mit der Hauerei? Das mit dem norwegischen Matrosen, meine ich?«
    Boysen grinste und kniff das linke Auge zu. »Davon weiß ich nichts. Hier hat jedenfalls niemand eine Anzeige erstattet, also gibt es auch keinen Grund zum Eingreifen.«
    Lüders nickte. In seinen Augen blitzte so etwas wie Dankbarkeit auf. Er sah immer noch aus wie Buttermilch und Spucke, als er auf schwankenden Beinen die Brooktor-Wache verließ.
    »Der geht jetzt erst mal kotzen«, mutmaßte Brügge.
    »Das würdest du auch, wenn du die Leiche gesehen hättest«, sagte Boysen zu dem Wachhabenden. In diesem Moment kehrten Peters, Tobergte, Laurent und Sattmann zurück. Sie erstatteten dem Offizianten Bericht.
    Boysen stützte sich mit beiden Fäusten auf das Schreibpult, während er den Worten seiner Untergebenen lauschte. Wie er es sich gedacht hatte, war die sofortige Fahndung nach dem Schauermann ergebnislos geblieben. Seine Leute hatten die Warenspeicher und die Schiffsladeräume durchkämmt und sich mehrere hundert Arbeiter halbwegs genau angeschaut. Doch Boysen machte sich keine Illusionen – was konnten vier Constabler im größten Seehafen des Kaiserreichs ausrichten?
    Der Offiziant würde andere Saiten aufziehen müssen, um den Mörder zu finden und an den Galgen zu bringen. Boysen wollte den Mann hängen sehen, der das Freudenmädchen so bestialisch getötet hatte.
    »Gut gemacht, Männer!«, sagte Boysen trotz des nicht vorhandenen Erfolgs. »Ihr könnt wegtreten.«
    Die Constabler redeten aufgeregt durcheinander, denn selbst auf dem harten Pflaster des Hamburger Hafens bekam man einen Anblick wie die zerfleischte Prostituierte nicht jede Nacht zu sehen. Beim Wachtwechsel nahm Boysen Okkinga beiseite.
    »Wir beide haben noch etwas zu erledigen.«
    Nachdem Boysen die Rapporte an Offiziant Lohmann von der Frühschicht übergeben hatte, verließ er gemeinsam mit dem schweigsamen Friesen erneut die Brooktor-Wache.
    Doch diesmal führten ihre Schritte sie zum Haus von Frau Lehmkuhl. Boysen löste sein Versprechen ein. Der Morgen dämmerte, färbte den Himmel über den eisernen Kränen und den Schiffsmasten malvenfarben. Normalerweise war dies für Boysen die schönste Zeit des Tages. Doch diesmal konnte er den frühen Morgen nicht genießen. Der Offiziant dachte unaufhörlich an den Mörder.
    Plante der Verbrecher bereits die nächste Untat? Wo verkroch er sich, bevor er wieder auf Beutezug ging? Oder war das Abschlachten von Marie Stevens eine einmalige Tat gewesen?
    Während Boysen diese Gedanken wälzte, erreichten sie das stille schmale Fachwerkhaus von Frau Lehmkuhl. Die dickbrüstige Matrone, die niemals zu schlafen schien, ließ mit einem breiten Lächeln alle ihre Goldzähne sehen.
    »Die werte Obrigkeit! Was verschafft mir das Vergnügen?«, rief sie und kniff Boysen und Okkinga jeweils in eine Wange.
    »Wir sind hungrig«, sagte der Offiziant wahrheitsgemäß. »Und etwas Gesellschaft könnten wir auch gebrauchen.«
    »Kommt rein, ich hab' noch Aalsuppe auf dem Herd.«
    Die Ordnungshüter nahmen ihre Helme

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