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Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Titel: Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Barkawitz
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Schauerromanen.«
    »Das ist eben die Frage.« Lanke paffte nachdenklich seine Zigarre. »Ich hatte das auch geglaubt, Boysen. Aber diese Hure im Hafen – sie wurde totgebissen, nicht wahr?«
    Woher wusste der Inspector das? Er konnte Boysens Rapport unmöglich schon gelesen haben. Aber der Offiziant führte sich vor Augen, dass ein Informant mit diesen Neuigkeiten sofort zum Stadthaus gerannt war. Ob nun Peters, Tobergte oder einer der anderen Constabler – es spielte keine Rolle. Lankes Macht fußte darauf, dass er über erstklassige Informationen verfügte.
    »Ja, sie wurde totgebissen«, räumte Boysen ein. »Aber für mich ist keineswegs klar, dass das ein Mensch getan haben soll. Und schon gar kein Vampir, Herr Inspector. Wir sollten auch ein Raubtier in Erwägung ziehen.«
    »Aber Vampire kommen bekanntlich aus Osteuropa«, beharrte Lanke. »Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, wie viele Russen und Polen sich im Hafen herumtreiben, Boysen?«
    »Das ist nicht zu übersehen, Herr Inspector. Sie vermuten also, dass einer der osteuropäischen Amerikaauswanderer ein Vampir ist und Marie Stevens totgebissen hat?«
    Darauf erwiderte Lanke nichts. Er legte den Kopf in den Nacken und starrte gedankenverloren an die Zimmerdecke, bevor er antwortete. »Wir befinden uns in einer schwierigen Lage, Boysen. Was ich Ihnen jetzt sage, darf keinesfalls an die Öffentlichkeit dringen. – Am 14. August starb ein Arbeiter namens Sahling.«
    »Wurde er auch totgebissen, Herr Inspector?«
    »Das nicht. Sahling hatte die Cholera. Und heute, also am 21. August, sind schon drei weitere Opfer der Krankheit zu beklagen. Ich habe gerade ein Eiltelegramm bekommen, das ihren Tod bestätigt.«
    »Eine Choleraepidemie«, murmelte Boysen. »Die letzte hatten wir 1873.«
    »Wir wissen noch nicht, ob es eine Epidemie wird«, beschwichtigte Lanke. »Deshalb müssen wir verhindern, dass sich Panik in der Bevölkerung ausbreitet. Offiziell leugnet die Regierung, dass wir die Cholera in der Stadt haben. Und Sie wissen auch von nichts, haben wir uns verstanden? – Die Leute fürchten sich, Boysen. Schon seit längerer Zeit gibt es die Sorge, dass die Amerikaauswanderer aus dem Osten Krankheiten nach Hamburg einschleppen.«
    »Sie meinen, die Cholera könnte von den Russen und Polen mitgebracht worden sein?«
    »Damit müssen wir rechnen«, sagte der Inspector. »Das Letzte, was wir jetzt brauchen können, ist ein blutsaugender Vampir, der im Hafen Furcht und Schrecken verbreitet. – Sie müssen daher so schnell wie möglich den Mörder dieses Freudenmädchens finden, Boysen.«
    Der Offiziant nickte. Das hatte er ohnehin vor. Doch es gab eine Frage, die ihm unter den Nägeln brannte. Er würde das Stadthaus nicht verlassen, ohne sie gestellt zu haben.
    »Glauben Sie ernsthaft, dass ein Vampir Marie Stevens totgebissen hat, Herr Inspector?«
    Im ersten Moment glaubte Boysen, sein Vorgesetzter würde ärgerlich werden. Doch Lanke hob nur die Schultern und schüttelte leicht den Kopf. »Was ich glaube, spielt keine Rolle, Boysen. Sie und ich, wir sind intelligente Menschen. Aufgeklärte Staatsbeamte. Aber das einfache Volk ist gefangen in Aberglauben und Unwissenheit.«
    Jetzt klingt er fast schon wie ein Sozialist , dachte Boysen und musste sich ein Grinsen verkneifen.
    »Wir müssen damit rechnen, dass es mehr Choleratote geben wird«, mutmaßte der Inspector. »Und was wird dann geschehen? Das Volk wird einen Sündenbock suchen. Die Menschen brauchen immer jemanden, dem sie die Schuld für Tod und Elend geben können. Wenn in den Gängevierteln ein Aufstand ausbricht, dann gnade uns Gott. Die Habenichtse werden sich auf die Auswanderer stürzen und sie in Stücke reißen. Ich habe nicht genug Constabler zur Verfügung, um mit solchen Tumulten fertigzuwerden. – Sorgen Sie einfach dafür, dass nicht noch mehr Leute totgebissen werden, Boysen.«
    »Zu Befehl, Herr Inspector.«
    Boysen salutierte abermals und verließ das Dienstzimmer seines Vorgesetzten sowie das Stadthaus. Er ging hinüber zum Jungfernstieg und fuhr mit der Pferde-Straßenbahn hoch zur Neuen Rabenstraße. Der Offiziant ergatterte einen Fensterplatz, wo ihm der Fahrtwind angenehm ins Gesicht blies. Ansonsten war es für ihn immer eine Tortur, in der Straßenbahn reisen zu müssen. Nach Boysens Ansicht glichen die stets gut gefüllten Wagen großen Sardinenbüchsen auf Rädern. In diesem heißen Sommer 1892 fand er das Straßenbahnfahren besonders unangenehm.
    Vampire.
    Boysen konnte

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