DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
Rothenbühler. Unbedingt wolle er das Rededuell auf Schawinskis Stuhl führen und ausnahmsweise gleich selbst die berühmte Sanduhr umdrehen.
Kurz darauf lehnen sie Rücken an Rücken im Coiffeurstuhl. Schawinski mustert launig sein Spiegelbild, zeigt mit den Fingern auf einzelne graue Haare, die – wie sofort alle Herumstehenden versichern – überhaupt nicht zu sehen sind. «Hey, ich lasse mich auf uralt schminken», scherzt er aufgekratzt, «und dann tun wir so, als feierten wir bereits hundert Jahre Tele 24!»
In diesem Moment kommt die Zürcher CVP-Politikerin Rosemarie Zapfl zum Abschminken in die Maske. Vor wenigen Minuten hat sie sich auf Tele Züri als mögliche Bundesratskandidatin präsentiert. Jetzt zieht sie Schawinski auf: «Ich habe mir immer geschworen, von diesem Schawinski lasse ich mich nie im Leben interviewen!»
«Wenn sie nicht zu mir kommen wollen, müssen sie sich gar nicht erst als Bundesrätin bewerben», kontert Schawinski.
Höchste Zeit zum Aufbrechen – im Studio läuft bereits der Count-down. «Ich habe das Gefühl, ich bin gar nicht so spannend», kokettiert Schawinski am Tischchen, an dem er schon über 700 Leute zerpflückt hat.
«Warum sitzt Du denn hier?» stichelt Rothenbühler, während ein Mitarbeiter an seiner Krawatte herumzupft.
«Weil ich mein Fernsehen promoten muss!»
In der überhitzten Schaltzentrale mit den über drei Dutzend Monitoren treffen die Techniker letzte Vorbereitungen, dann gibt die Produzentin das Kommando in Rothenbühlers Ohr: «Drei, zwei, eins – Sendung läuft!»
«Warum lässt Du Dich interviewen», schiesst Rothenbühler los, «findest du Dich so spannend?»
«Nein, aber…»
«Das ist dein Problem», fällt er ihm ins Wort, «ausserhalb von Zürich kennt niemand Deinen Sender. Warum sollten sie denn zuschauen?»
«Weil wir erreicht haben, dass es ausserhalb der SRG in der Schweiz ein Fernsehen gibt, auch wenn wir keine 800 Millionen Konzessionsgelder bekommen, das ist das Wichtigste.»
«Das finden ja alle gut», beschwichtigt Rothenbühler, um gleich zum nächsten Angriff auszuholen: Die Nachrichtensendung seien holprig, völlig Belangloses werde zur News aufgeblasen. «Deine Korrespondenten können kaum reden, sie stehen völlig verdattert vor der Kamera und tragen Kleider aus der Altkleidersammlung.» Die Unterhaltungssendungen Bistro, Blöff und Inside vergleicht Rothenbühler mit «Kindergartenspielchen». «Findest Du das glatt, wenn Sepp Zellweger mit verbundenen Augen auf den Knien einen Weihnachtsbaum schmücken muss?»
«Gar nicht so schlecht…»
«Es wird einfach nicht geschaut!»
«Ein Sender ist am Anfang etwas völlig Fremdes in der Stube», windet sich Schawinski, «es braucht halt eine gewisse Zeit, bis uns die Leute so gut finden, dass sie auch am Abend schauen.»
Rothenbühler lässt nicht locker: «Du setzt auf Junge, die nur jung und schön sein müssen, die aber keine Ecken und Kanten haben.»
«Ich habe immer auf junge Leute gesetzt und Talente entdeckt, die jetzt zum Teil an anderen Orten Furore machen.»
Auch persönlich muss der Chef des Hauses heute Federn lassen. Er sei oft schlecht vorbereitet, kritisiert der unerbittliche Stellvertreter, entweder pflaume er seine Gäste an und versuche zu beweisen, dass er von beiden der Grössere sei, oder er sei dermassen stolz und glücklich über seinen Stargast, dass er sich «absolut devot wie ein Hündchen» benehme – so wie kürzlich mit Tina Turner.
Aus und vorbei. Schawinski ist sichtlich enttäuscht. «Ich habe erwartet, dass wir zusammen auch über Einschaltquoten reden», sagt er auf dem Weg in sein Büro. Auf dem Schreibtisch zeigt er ihm Tabellen mit steigenden Einschaltquoten. «Wir haben eine Million Menschen, die jeden Tag mindestens achtzehn Minuten schauen», ereifert er sich, «und du redest von Kindergartenspielchen.»
Doch sein Puls beruhigt sich rasch. In den Ferien auf Teneriffa sei ihm eine tolle Idee für eine neue Sendung gekommen. «Wir reden mit Prominenten über ganz persönliche Themen – zum Beispiel: Wie steht es mit der Sexualität nach so vielen Ehejahren?»
Rothenbühler nickt kennerisch. «Klingt vielversprechend…»
(Wenige Wochen später wird im Programm die Sendung Fadegrad mit Christian Handelsmann auftauchen.)
Nach der Spezialsendung trifft sich das Tele-24-Team im Kaffeeraum. Es gibt Weisswein aus Plastikbechern und ein paar belegte Brötchen vom Party-Service. «Schawinskis Standardmenü, wenn es etwas zu feiern
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