Der Scheich
den Schmerz in seinen Augen nicht und hörte nur seine leise, sanfte Stimme, die unerbittlich ihr Schicksal bestimmte und ihr in gleichmütigem Ton alles Glück dieser Welt raubte. Krampfhaft begann sie zu zittern. «Ahmed! Ich kann nicht gehen!» klagte sie.
Da riß er ihr die Hände vom Gesicht. «Um Himmels willen! Meinst du - ich habe doch nicht - bist du ...» stammelte er heiser und musterte sie voller Angst.
Sie erriet, was er fragen wollte, und errötete. Nur mühsam widerstand sie der Versuchung, ihn zu belügen und den Rest der Zukunft zu überlassen. Ein einziges kleines Wort und sie würde in seinen Armen liegen. Aber danach? Diese Furcht ließ sie schweigen. Langsam wich die Farbe aus ihren Wangen, und sie schüttelte stumm den Kopf.
Erleichtert ließ er sie los und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann legte er seine Hand auf ihre Schulter und schob sie sanft in Richtung des Schlafgemachs. Sie wehrte sich, verzweifelt suchten ihre Augen seinen Blick. Doch er wollte sie nicht ansehen. Seine Lippen bildeten jene harte, gerade Linie, die sie so gut kannte. Mit einem heiseren Schrei warf sie sich an seine Brust, preßte ihr Gesicht an ihn, umschlang seinen Hals. «Ahmed! Ahmed! Du bringst mich um! Ohne dich kann ich nicht leben. Ich liebe dich, und ich will dich - nur dich. Glaub mir, die Einsamkeit in der Wüste schreckt mich nicht - nur die Einsamkeit der Welt da draußen, ohne deine starken Arme. Was du bist oder warst, kümmert mich nicht. Und ich fürchte mich ebensowenig vor dem, was du tun wirst. Nie zuvor habe ich gelebt - bis du mir hier in der Wüste gezeigt hast, was Leben heißt. Wie soll ich in meine alte Welt zurückkehren, Ahmed? Sei doch barmherzig! Verwehre mir nicht meine einzige Chance, glücklich zu werden. Schick mich nicht weg! Jetzt weiß ich, daß du mich liebst. Und weil ich es weiß, schäme ich mich nicht, dich um Gnade zu bitten. Meine Scham und mein Stolz sind längst dahin. Ahmed! Sprich mit mir! Dein Schweigen ertrage ich nicht! Oh, wie grausam du bist!»
Sein Gesicht verzerrte sich, aber er preßte die Lippen noch fester zusammen und befreite sich entschlossen aus der Umarmung. «Niemals war ich anders», erwiderte er bitter. «Und es ist mir lieber, du hältst mich für einen brutalen Schurken, als daß du den Tag verfluchst, an dem wir uns zum erstenmal begegnet sind. Dein Glück findest du anderswo, und dafür will ich alles opfern.» Er machte auf dem Absatz kehrt, eilte zum Eingang und starrte wieder in die Nacht hinaus. «Es ist spät geworden. Morgen müssen wie zeitig aufbrechen. Leg dich jetzt hin.» Obwohl seine Stimme sehr sanft klang, war es ein Befehl.
Sie wich zitternd zurück ihr Gesicht spiegelte tiefe Trauer wider, und in ihren Augen stand Verzweiflung. Da sie Ahmed kannte, wußte sie nur zu gut, daß dies das Ende war. Nichts würde ihn bewegen, sich anders zu besinnen. Durch einen Tränenschleier sah sie ihn an, um sich sein geliebtes Bild unauslöschlich einzuprägen. Der stolz erhobene Kopf über den breiten Schultern, die starken Glieder, der schlanke, geschmeidige Körper. Wie wundervoll er aussah, der geborene Herrscher. Monseigneur! Monseigneur! Mon maître et seigneur. Nein! Das würde er nie mehr sein.
Tränenblind stolperte sie, stieß gegen den kleinen Schreibtisch, und als sie sich an der Kante festhielt, berührten ihre Finger den Revolver. Das kalte Metall ließ sie frösteln bis ins Herz. Wie erstarrt stand sie da, ohne die reglose Gestalt im Eingang aus den Augen zu lassen. Mit einer Hand umfaßte sie die Waffe, mit der anderen umklammerte sie den seidenen Kimono über ihrer Brust. Fieberhaft überschlugen sich ihre Gedanken.
In wenigen Stunden würde der Morgen anbrechen, der schwerste Augenblick ihres Lebens, da sie sich für immer von diesem Zelt trennen mußte, das ihr so teuer geworden war - teurer als das alte Schloß in England. Sie dachte an den langen Ritt nach Norden, die Qual, an Ahmeds Seite zu reiten und allein im kleinen Reisezeit zu übernachten, an den endgültigen Abschied auf dem Bahnsteig, wo sie beobachten würde, wie er an der Spitze seiner Männer aus ihrem Leben verschwand. Und sie würde angestrengt in die Ferne spähen, um im Staub und Sand einen letzten Blick auf die aufrechte Gestalt im Sattel des lebhaften Rappen zu erhaschen. Natürlich wird er Habicht reiten, überlegte sie. Heute war es Shaitan. Und wenn er längere Reisen unternimmt, benutzt er immer eines der beiden Pferde. Auf Habichts Rücken und in
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