Der Scheich
Edith Maude Hull
Der Scheich
Deutsch von Eva Malsch
Die Originalausgabe dieses Romans erschien 1919 unter dem Titel «The Sheik»; die Gesamtauflage hat die Millionengrenze inzwischen weit überschritten. Edith Maude Hull (tatsächlicher Name: Edith Maude Winstanley née Henderson, 1880-1947) ergänzte den Roman später um drei weitere Folgen: «The Shadow of the East», «The Desert Healer» und «The Sons of the Sheik».
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Vorwort
Die Vorstellung, ihr könne Gefahr drohen, brachte sie zum Lächeln. Was sollte ihr in der Wüste schon zustoßen, die schon so lange nach ihr rief?» Der Sirenenruf der Wüste durchdringt die konventionelle Moral und weckt schlummernde Leidenschaften. Diana Mayo, eine schöne, eigenwillige und freiwillig asexuelle englische Erbin, beschließt, nur von ein paar Kameltreibern beschützt, die sandigen Weiten zu erforschen. In ihrem Gepäck steckt auch eine kleidsame Abendrobe aus jadegrüner Seide - der erste Hinweis darauf, welche Art von Gefahr ihr droht.
«Es kommt nicht in Frage», klagt ihr Bruder, «daß du einen Monat lang ganz allein mit diesen verdammten Niggern durch die Wüste ziehst... Ich bete zu Gott, daß du irgendwann einem Mann begegnest, der dir Gehorsam beibringt.» Und genau das geschieht. Diana wird entführt und von einem grausamen arabischen Stammesfürsten gefangengehalten. Er vergewaltigt sie mehrmals, und schließlich findet sie Gefallen daran. Das ist die Handlung von E. M. Hulls Klassiker «Der Scheich». Als der Roman 1919 erschien, beflügelte er die Phantasie einer ganzen Generation, und der Film (mit Rudolph Valentino in der Rolle des geheimnisvollen Ahmed Ben Hassan) war der Kinohit der Stummfilmära.
Aber auf moderne Leser wirken der eklatante Rassismus und der Sexismus des Romans, milde gesagt, abstoßend. Deshalb muß das Vorwort mit einer Warnung beginnen: Wer ihn lesen möchte, lasse jede «political correctness» fahren. Warum sich «Der Scheich» auch heute noch so großer Beliebtheit erfreut, kann ich nur mit meiner eigenen Reaktion bei der ersten Lektüre illustrieren - es war purer Neid. Würde ich gewaltsam in ein luxuriöses Zelt mit einem prächtigen Badezimmer gebracht, von Dienstboten verwöhnt, mit Juwelen überschüttet und von einem hinreißenden Millionär bis zur Bewußtlosigkeit geliebt, würde ich mich wahrscheinlich hüten, um Hilfe zu schreien.
Vielleicht hätte ich im wirklichen Leben meine Probleme damit. Aber wer redet hier vom wirklichen Leben? Dieser Roman existiert nur im schwülen, purpurroten Reich sexueller Phantasie, und darin liegt sein Reiz. In diesem Reich herrschen andere Regeln. Eine Vergewaltigungsphantasie hat nichts mit dem Wunsch zu tun, vergewaltigt zu werden. Sie ist vielmehr Ausdruck des Bedürfnisses, den Kuchen aufzuessen und gleichzeitig zu behalten - nennen Sie es Völlerei ohne Schuldgefühle, wenn Sie wollen.
Traditionsgemäß phantasierten die Frauen von Vergewaltigungen, um keine moralische Verantwortung für ihre sexuellen Begierden übernehmen zu müssen. Immer wieder betont E. M. Hull, Diana habe keine Wahl. Sie schreit, sie wehrt sich, sie fleht um Gnade, und sie würde auch Selbstmord begehen, hätte ihr der niederträchtige Scheich nicht den Revolver weggenommen. Also ist sie, moralisch gesehen, aus dem Schneider, denn schließlich galt es in ihrer Zeit für eine Frau als unschicklich und verwerflich, sexuelle Bedürfnisse zu äußern. Zu guter Letzt wird Diana von der wilden Leidenschaft ihres Entführers mitgerissen, aber nur weil er ihre Sexualität heraufbeschwört wie ein Magier einen Dämon. Und nachdem diese neu entdeckte Sexualität zutage getreten ist, existiert sie nur für ihn.
Im Grunde sollte man den «Scheich» als Vorläufer von Erica Jongs «Zipless Fuck» betrachten. Die Story wurde sorgfältig konzipiert und gestattet den Leserinnen, ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen. Sobald die Fragen der sexuellen Initiative und der Kapitulation geklärt sind, genießen wir einen Roman voll intensiver - für die damalige Zeit erstaunlicher - Erotik. Hier werden keine Körperteile aufgezählt. Dennoch schwelgen Diana und ihr Scheich unentwegt in glühender Sinnenlust. Und daß alles, außer den Gefühlen und den schmerzhaften Spuren am Morgen danach, der Phantasie der Leserin überlassen bleibt, steigert die Spannung ins Unerträgliche. Für meinen Geschmack wirkt E. M. Hulls Stil viel aufregender als die modernen Versuche (zum Beispiel die Black-Lace-Serie), wilde sexuelle Phantasien
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