Der Scheich
Literatur, die sich mit der weiblichen Sexualität befaßt, ist E. M. Hulls «Scheich» ein Meilenstein, ein Softporno, so dezent, daß Sie ihn Ihrer Großmutter schenken können, und einfach himmlisch. Seine Existenz legt übrigens die Vermutung nahe, daß Ihre Großmutter wohl einiges zu erzählen hätte. Viel Spaß damit!
Kate Saunders, London 1995
Erstes Kapitel
Sind Sie gekommen, um sich den Ball anzusehen, Lady Conway?»
«Gewiß nicht. Ich mißbillige die Expedition, die mit diesem Tanzabend beginnt. Allein schon der Gedanke, eine Wüstentour zu unternehmen, ohne Anstandsdame und Begleiterin, nur mit einheimischen Kameltreibern und Dienern, ist ungeheuerlich. Diana Mayo verhält sich leichtfertig und unschicklich, was nicht nur ihrem Ruf, sondern auch dem Ansehen ihres Vaterlandes schadet. Die bloße Vorstellung treibt mir die Schamröte in die Wangen. Wir Engländer müssen im Ausland sehr auf unser Auftreten achten, denn unsere europäischen Nachbarn nutzen jede Gelegenheit, um mit Steinen nach uns zu werfen. Und diese grandiose Gelegenheit werden sie wohl kaum versäumen. So was Verrücktes habe ich noch nie gehört. Noch nie habe ich einen derartigen Mangel an Prinzipien und eine solche Unvernunft erlebt.»
«Ach, kommen Sie, Lady Conway, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Unkonventionell, sicher, und - äh - vielleicht ein bißchen unklug. Aber denken Sie an Miss Mayos ungewöhnliche Erziehung...»
«Die vergesse ich keineswegs», fiel Lady Conway ihrem Gesprächspartner ins Wort. «Es ist eine Schande! Aber nicht einmal das kann diese skandalöse Eskapade entschuldigen. Vor Jahren kannte ich ihre Mutter, und ich habe Diana und ihren Bruder eingehend ermahnt. Aber Sir Aubrey verschanzt sich hinter einer egoistischen Selbstzufriedenheit, die man nicht einmal mit einer Spitzhacke zertrümmern könnte. Nach seiner Ansicht ist ein Mayo über jede Kritik erhaben und der Leumund seiner Schwester ihr eigenes Problem. Offen gestanden, die junge Dame schien die Bedeutung ihrer Position gar nicht zu begreifen, und sie war ziemlich schnippisch, fast unhöflich. Nun, ich will nichts mehr mit der Sache zu tun haben und diesen Tanzabend auch nicht gutheißen, indem ich mich zeige. Ich habe den Hoteldirektor bereits gewarnt. Wenn der Lärm unerträglich wird, verlasse ich morgen das Haus.» Schaudernd zog sie ihren Schal enger um die Schultern und überquerte majestätisch die breite Veranda des Biskra-Hotels.
Die beiden Männer, die neben der offenen Glastür des Ballsaals standen, schauten sich lächelnd an.
«Was für eine Tirade!» bemerkte der eine mit ausgeprägtem amerikanischem Akzent. «Auf diese Art werden wahrscheinlich Skandale entfesselt.»
«Unsinn! Diana Mayo war noch nie in einen Skandal verwickelt. Ich kenne sie seit ihrer frühesten Kindheit. Damals war sie eine amüsante kleine Range. Zum Teufel mit der alten Vettel! Die würde sogar den Ruf des Erzengels Gabriel ruinieren, wenn er auf die Erde käme - ganz zu schweigen von einem menschlichen Wesen weiblichen Geschlechts.»
«Zweifellos sollte sie als Junge das Licht der Welt erblicken», lachte der Amerikaner, «und wurde in letzter Sekunde umgemodelt. Nun sieht sie wie ein Junge in langen Röcken aus - ein verdammt hübscher und verdammt arroganter Junge. Heute morgen hörte ich, wie sie im Garten einem französischen Offizier die Leviten las.»
Der Engländer grinste. «Sicher wollte er ihr den Hof machen. So was versteht sie nicht, und sie duldet es nicht. Sie ist kalt wie ein Fisch, und sie hat nur Sport und Reisen im Kopf. Aber welch ein kluges, couragiertes Mädchen! Ich glaube, sie weiß gar nicht, was das Wort ‹Angst› bedeutet.»
«Offenbar stammt sie aus einer sonderbaren Familie. Gestern abend wurde darüber geredet. Der Vater war verrückt und hat sich das Hirn weggepustet. Zumindest habe ich das gehört.»
Seufzend zuckte der Engländer die Achseln. «Wenn Sie wollen, können Sie's verrückt nennen», erwiderte er zögernd. «Die Mayos sind meine Nachbarn. Zufällig kenne ich die Geschichte. Sir John Mayo und seine Frau liebten sich nach zwanzig Ehejahren immer noch leidenschaftlich. Dann wurde dieses Mädchen geboren, und die Mutter starb. Zwei Stunden später erschoß sich der Mann und überließ die kleine Diana der Obhut seines Sohnes, der damals neunzehn war - und genauso faul und selbstsüchtig wie jetzt. Die schwierige Aufgabe, ein Mädchen großzuziehen, erschien ihm zu mühsam. Deshalb wuchs sie wie ein Junge auf. Das
Weitere Kostenlose Bücher