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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Nachricht auf den Küchentisch gelegt, zusammen mit dem Notizbuch, das Tilo schon vermisst hatte.
    Der Kommissar war hier. Er wollte mit dir sprechen.
    Darunter der Anfangsbuchstabe ihres Namens, von einem schiefen Herzen eingerahmt.
    Tilo aß ein wenig Heringssalat mit Brot und trank ein Bier dazu. Dann setzte er sich in den Wintergarten, um noch ein Stündchen zu arbeiten. Doch er konnte sich nicht konzentrieren. Was hatte der Kommissar von ihm gewollt?
    Diese unangekündigten Besuche gefielen ihm nicht. Sie setzten ihn unter Druck, ohne dass er hätte erklären können, warum. Er schaltete den Laptop aus, verstaute seine Unterlagen wieder und ging nach oben.
    Die Katzen kamen schläfrig aus Imkes Arbeitszimmer getrottet und blinzelten vorwurfsvoll ins Licht. Allein hatten sie im Arbeitszimmer nichts verloren, denn wenn sie ihre verrückten fünf Minuten bekamen, stürmten sie dermaßen wild über Tische und Bänke, dass nichts vor ihnen sicher war.
    Anschließend konnte man Manuskriptseiten und Stifte vom Boden aufsammeln und oft genug die Scherben der zerbrechlichen Dinge, mit denen Imke sich bei der Arbeit umgab: Schmetterlinge, Käfer und kleine Elefanten aus Ton, Tassen und Becher aus altem Porzellan.
    Tilo knipste das Licht an. Nichts war zu Bruch gegangen. Nur einige ausgedruckte Seiten waren zu Boden geflattert. Er hob sie auf, um sie auf den Schreibtisch zurückzulegen. Dabei fiel sein Blick auf vier Worte.
    Wenn man multipel ist …
    Es war, als hätte er sich die Finger verbrannt. Er ließ den Ausdruck auf den Schreibtisch fallen. Sein Herz klopfte viel zu schnell.
    Wenn man multipel ist …
    Wie kam Imke auf dieses Thema?
    Wenn man multipel ist...
    Das musste ein Zufall sein. Tilo unterhielt sich niemals über seine Patienten. Nicht einmal mit Imke. Sie kannte einige Namen. Sie kannte weitgehend seinen Terminplan. Doch das war auch alles. Er hatte ihr nichts von Minas Krankheitsbild erzählt.
    Wenn man multipel ist...
    Er war er immer darauf bedacht, keine vertraulichen Informationen herumliegen zu lassen. Seine Patienten hatten ein Recht darauf, dass er ihre Privatsphäre schützte. Sie vertrauten seiner Diskretion und er würde sie nicht …
    Erschrocken dachte er an das Notizbuch, das er beim Nachhausekommen auf dem Küchentisch gefunden hatte. Und daran, dass er es nun schon zum zweiten Mal hier vergessen hatte. Aber Imke würde doch nie …
    Wenn man multipel ist …
    Ein Zufall. So etwas kam vor. Manchmal lagen bestimmte Gedanken einfach in der Luft. Plötzlich redete jeder über ein und dasselbe Phänomen, erschienen fünf Bücher zu ein und demselben Thema. Ein dummer Zufall, weiter nichts.
    Die Hand schon auf dem Lichtschalter, blieb Tilo stehen. Er konnte den Impuls nicht verleugnen, zum Schreibtisch zurückzukehren, um mehr zu lesen als diese vier Worte. Doch er löschte das Licht. Schloss die Tür. Es fiel ihm schwer.
    Als er sich ins Bett legte, bewegte Imke sich im Schlaf. Sie hob den Arm und ließ ihn auf seine Hüfte sinken. Tilo blieb ganz ruhig liegen, um sie nicht aufzuwecken. Lange lag er so im Dunkeln und schaute zur Decke, auf die das Mondlicht Schatten warf. Er hatte Angst vor dem nächsten Morgen.
     
    Merle war froh darüber, dass Jette bei ihr war. Nach Einbruch der Dunkelheit verwandelte sich Bröhl in eine andere Stadt. Dann erinnerte sie an die Göttin mit den zwei Gesichtern, das eine gütig und sanft, das andere böse und verschlossen.
    Da waren die unzähligen malerischen Winkel, das bei Touristen so beliebte Rokokoschloss, der viel besuchte alljährliche Weihnachtsmarkt. Da waren aber auch die Schutzgelderpressungen, die Bandenkriege und die Serie der nicht aufgeklärten Überfälle auf Frauen und Mädchen.
    Es gab Straßen, in denen kein Bröhler jemals sein Auto abstellen würde. In denen die Schaufenster mit Eisengittern gesichert waren und die Grundstücksmauern mit Stacheldraht. Keine zehn Minuten davon entfernt wohnten die Menschen in Jugendstilvillen und Prachtbungalows. Dr. Jekyll und Mr Hyde.
    Merle hatte nicht geahnt, wie groß diese Stadt wirklich war und wie leicht ein Mensch in ihr verloren gehen konnte. Erst recht ein Mädchen wie Mina, die nicht einmal in sich selbst zu Hause war.
    »Ich kann nicht mehr«, sagte Merle. »Ich hab Hunger, ich bin müde und die Füße tun mir weh.«
    »Mir auch.« Jette blies sich erschöpft die Haare aus dem  Gesicht. »Wir sollten irgendwo eine Kleinigkeit essen und ein bisschen ausruhen.«
    Im Rapunzel, dem Bistro am

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