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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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gefunden. Wie oft hatten wir erfahren müssen, dass wir ihr nicht helfen konnten.
    Ohne uns abzusprechen, hatten wir den Weg zum Schlosspark eingeschlagen. Obwohl der um diese Zeit schon geschlossen war. Wir ließen die belebten Straßen hinter uns und gingen den Weg am Zaun entlang.
    Ein Rascheln ließ uns zusammenfahren.
    »Das ist mir heute schon mal passiert«, flüsterte Merle. »Am Tierheim. Irgendwer hat mich beobachtet.«
    Der Schlosspark hatte schon immer alle möglichen Typen angezogen, die hier ihre verbotenen Partys feierten und neben verkohlten Feuerstellen ein Sammelsurium an Flaschen, Zigarettenkippen und benutzten Kondomen zurückließen. Dann war der Zaun aufgestellt worden und hatte einen Teil von ihnen vertrieben. Doch die ganz Hartgesottenen ließen sich auch von ihm nicht aufhalten.
    Es war nicht auszumachen, ob es vor oder hinter dem Zaun geraschelt hatte. Merles Worte und das diffuse Dämmerlicht versetzten mich in eine Stimmung, in der man hinter jedem Baumstamm Gespenster vermutet.
    »Wir hören ja schon die Flöhe husten.« Ich lachte, ein bisschen zu hoch und ein bisschen zu laut.
    Da raschelte es wieder. Diesmal ganz nah.
    Ich zog Merle vom Zaun weg und auf die Häuser zu. Das Geräusch davonhuschender Schritte bildete ich mir wahrscheinlich nur ein, jedenfalls drehte ich mich nicht danach um.
     
    Es wurde dunkel. Wenn sie zu spät kam und das Abendessen schon auf dem Tisch stand, wurde der Vater böse. Dann würde er sie bestrafen. Mama würde er ins Schlafzimmer sperren. Clarissa würde ihr Weinen hören. Ihr Weinen und später ihr Wimmern. Denn nachdem der Vater Clarissa bestraft hatte, würde er Mama wehtun.
    So war es immer. Niemand konnte was dagegen machen. Nicht mal der liebe Gott.
    Nach Hause. Nach Hause. Aber wo war das, zu Hause?
    Clarissa spürte kleine Schluchzer in der Kehle. Sie sah zu den Straßenschildern auf, aber sie konnte noch nicht lesen. Nur ein paar Wörter, die sie sich selber beigebracht hatte. Heimliche Wörter, die sie vorm Vater versteckte. Vielleicht würde er sie ihr wegnehmen, wenn sie ihm davon erzählte.
    »Ben«, flüsterte sie.
    Er war nicht da. Auch das Kätzchen war nicht da.
    Ob der Vater sich das ausgedacht hatte, um sie zu bestrafen? Dass sie allein durch fremde Straßen laufen musste und den Weg nicht fand?
    Und sie fühlte schon die Dunkelheit. Bald würde die sich auf die Dächer legen und runtersacken und die Dinge verschwinden lassen.
    Clarissa lehnte sich an eine Hauswand und schloss die Augen. Irgendjemand musste ihr helfen. Schnell.
     

Kapitel 14
    Cleo schaute sich prüfend um und stellte fest, dass sie sich in dieser Gegend nicht auskannte. Hatte das Kind sie schon wieder in eine Situation manövriert, die sie jetzt ausbaden musste! Der Ärger darüber verflog so rasch, wie er aufgeflammt war. Es gab Wichtigeres zu tun, als Schuld zu verteilen.
    Sie hatte keine Angst. Wenn sie nicht rechtzeitig zur Wohnung der Mädchen zurückfand, dann würde sich eine andere Möglichkeit auftun, die Nacht zu verbringen. Es gab immer eine Lösung. Man musste nur offen dafür sein.
    Die Straßennamen sagten ihr nichts. Wahrscheinlich war Clarissa ziemlich weit gelaufen. Wie hatte es überhaupt passieren können, dass sie wieder nach draußen gelangt war?
    Eine Gruppe junger Leute kam ihr entgegen. Sie lachten und redeten alle durcheinander. Ein Typ blieb bei Cleo stehen und versuchte, sie auf den Mund zu küssen. Cleo tauchte unter ihm weg, schnellte herum und versetzte ihm einen Schlag, der ihn taumeln ließ.
    Die andern fingen ihn auf und begannen, Cleo zu beschimpfen. Sie ging davon, nicht zu langsam, nicht zu schnell. Sie hatte kein Interesse daran, die Gruppe noch weiter zu provozieren.
    Ihr erster Impuls hatte ihr gesagt, sie solle einfach nach dem Weg fragen. Dann hatte sie überlegt, dass man sie erkennen könnte. Schließlich war ihr Foto in der Zeitung gewesen.
    Was hatte die Mutter sich bloß dabei gedacht? Eine Vermisstenanzeige aufzugeben! Als hätte sie ihre Tochter jemals vermisst.
    Etwas in Cleo behauptete zaghaft, dass das so nicht stimmte. Aber Cleo hatte keine Lust, darauf zu hören. Sie musste nachdenken, wohin sie sich wenden sollte, denn es war nicht gut für sie, zu lange vor aller Augen durch die Stadt zu spazieren.
     
    Als Tilo auf die Mühle zufuhr, war alles dunkel. Nur das Außenlicht brannte. Er freute sich darüber. Es war ein Zeichen von Fürsorglichkeit und es galt ihm. Imke war schon ins Bett gegangen. Sie hatte ihm eine

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