Der Scherbensammler
Herzen gefallen. »Wir wollen dich ja nicht nerven«, sagte sie. »Aber wenn du reden möchtest - wir hören zu.«
Doch Cleo war schon wieder abgetaucht und hatte Mina Platz gemacht, die still dasaß und am ganzen Körper zitterte. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn und ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet.
Ben Bischop sah das Auto auf den Hof fahren und wusste instinktiv, dass es der Wagen eines Polizisten war. Der Mann, der ausstieg, trug ein zerknautschtes Leinensakko. Er nahm die Sonnenbrille ab und schaute sich um.
Es hatte keinen Sinn, ihn zu ignorieren. Also wischte Ben sich die Hände an einem schmutzstarrenden Handtuch ab und trat aus der Werkstatt.
»Guten Morgen«, sagte der Polizist und kam auf ihn zu. »Bert Melzig. Kriminalpolizei. Ich suche Frau Kronmeyer.«
Er schien es nicht für nötig zu halten, sein Interesse zu erklären. Er zeigte auch keinen Ausweis vor. Aber musste er das überhaupt? Ben hatte noch nie mit der Polizei zu tun gehabt, und er hätte sich gewünscht, das wäre so geblieben.
»Sie ist da drin«, sagte er und machte eine Kopfbewegung zum Haus hin. Der Typ wirkte ganz sympathisch. Aber vielleicht war das Tarnung. Damit die Leute auf ihn reinfielen und die Wahrheit ausplauderten. Falls es so etwas gab wie die Wahrheit. Ben war sich da nicht so sicher.
»Danke.« Der Mann ging zur Tür und drückte auf die Klingel.
Es tat sich nichts.
»Wenn sie im Garten ist«, sagte Ben, »dann hört sie das Läuten nicht.«
Der Polizist schaute ihn abwartend an.
Ben seufzte. Er holte den Schlüsselbund aus der Werkstatt und schloss die Haustür auf.
»Und wer sind Sie?« Der Mann wirkte überrascht. Er schien nicht damit gerechnet zu haben, dass Ben einen Schlüssel zum Haus besaß. »Gehören Sie zur Familie?«
»Ja und nein. Schwer zu erklären.«
Ben ging durch den langen dunklen Flur voran. Er rief Marlenes Namen. Damit sie nicht erschrak, wenn er plötzlich mit einem Fremden vor ihr stand.
»Sie sind mir noch eine Antwort schuldig.«
Schuld war ein Wort, das Ben nicht mochte. Er hörte es zu oft. Es machte ihm immer wieder klar, dass er nicht zu den guten Menschen gehörte. Sosehr er sich auch darum bemühte. Es gelang ihm einfach nicht.
»Ben Bischop. Ich arbeite hier in der Möbelwerkstatt. Aber Kronmeyers sind wie Eltern zu mir.«
Die Tür, die in den Garten führte, stand einen Spaltbreit auf. Licht floss herein und ergoss sich über Wand und Fußboden.
»Marlene?«
Sie war damit beschäftigt, den Pflanzen Wasser zu geben. Es würde ein heißer, trockener Tag werden, und sie hatte es gern, wenn der Garten bereits am Morgen versorgt war.
»Marlene, hier ist ein Mann von der Polizei …«
Sie drehte sich um und ihr Gesicht wurde bleich.
»Bert Melzig. Kriminalpolizei. Kann ich Sie kurz sprechen, Frau Kronmeyer?«
Marlene nickte schweigend. Sie führte ihn ins Haus. Ben folgte ihnen ins Wohnzimmer und blieb bei der Tür stehen. Der Polizist setzte sich aufs Sofa. Marlene sank in einen Sessel. Mit der linken Hand fasste sie sich an den Hals. Mit der rechten umklammerte sie die Armlehne.
»Ich muss Ihnen leider eine schlechte Nachricht überbringen, Frau Kronmeyer.«
Marlene sackte zur Seite. Der Polizist fing sie auf, bevor Ben reagieren konnte.
»Könnten Sie ihr ein Glas Wasser holen?«, bat er.
Ben lief in die Küche. Als er das Glas unter den Wasserhahn hielt, zitterte sein Hand so heftig, dass das Wasser überschwappte. Auf dem Weg zum Wohnzimmer schickte er ein Stoßgebet zum Himmel. Doch etwas in ihm wusste absolut sicher, dass es nicht helfen würde.
Kapitel 5
Donna war Mina auf den Schoß gesprungen und hatte sie aus ihrer Erstarrung befreit. Zuerst hatten sich Minas Hände zu regen begonnen. Dann hatte sie die Katze angeguckt und die Lippen zu der Andeutung eines Lächelns verzogen. Und schließlich waren ihr ein paar Tränen über die Wangen gerollt. Sie hatte sie nicht weggewischt.
Wir saßen da und warteten. Darauf, dass Mina etwas sagte. Darauf, dass sie uns erklärte, was mit ihr los war. Wir warteten auf ein Zeichen. Auf etwas, das uns einen kleinen Schritt weiterbringen würde.
Donnas Schnurren war das einzige Geräusch im Zimmer.
Mina hob den Kopf und sah uns an. Sie war blass und wirkte angegriffen. Dabei konnte sie im nächsten Augenblick eine ganz andere Seite zeigen. Ich kam damit nicht zurecht. Aber es hatte keinen Sinn, sie zu drängen. Sie würde uns erst dann ins Vertrauen ziehen, wenn sie dazu bereit war.
Oder aber
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