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Der Schichtleiter

Titel: Der Schichtleiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Seinfried
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dieser Kerl!
    Im Auto darf er natürlich vorn sitzen, weil er sich auf dem kurzen Weg schon geschickt mit meiner Mutter angefreundet hat. Mir macht das nichts aus, da ich so wenigstens aus der Schusslinie bin. Ich sage kein einziges Wort, bis wir schließlich vor einem Haus halten, das wohl die Tante von Bobo Bockmist bewohnt.
    „Vielen Dank!“, sagt er zum gefühlt zehnten Mal, als er sein Gepäck auslädt. Ich bleibe stur sitzen.
    „Bis dann, Finn Falkner.“ Er betont noch mal extra meinen Namen. „Wir laufen uns ja sicher mal über den Weg.“
    „Oder Sie kommen zum Essen vorbei.“ Dass meine Mutter aber auch immer mit Gastfreundschaft glänzen will! Zum Kotzen! Dann teilt sie ihm tatsächlich unsere Adresse mit. Ja, warum soll der Kerl sich auch die Mühe machen und recherchieren? Am besten sie gibt ihm gleich einen Schlüssel zum Haus! Ich schließe die Augen und atme tief durch. Wie war das noch? Von zehn runterzählen? Oder doch lieber von hundert?
    „Was für ein netter junger Mann“, schwärmt meine Mutter, als sie endlich wieder im Wagen sitzt. „Willst du nicht nach vorn kommen?“
    „Nein“, antworte ich übellaunig. „Vielleicht finden wir ja noch jemanden, den wir irgendwo hinfahren können, da wäre es doch unhöflich, wenn der Platz in der ersten Reihe belegt wäre.“
    „Meine Güte, du hast aber schlechte Laune. Das sieht dir gar nicht ähnlich.“
    „Macht wohl die Uni. Je intelligenter man wird, desto mehr Dummheit sieht man.“
    „Finn!“ Sie schüttelt den Kopf. „Ich verstehe wirklich nicht, was das soll …“
    „Du mischst dich wie immer in meine Angelegenheiten ein“, antworte ich patzig. „ Das soll das.“
    „Aber ich …“
    „Ich weiß, dass es dir schwerfällt, auch mal unfreundlich zu sein, Mam, aber manche Menschen haben das durchaus verdient.“
    „Aber …“
    „Nein, Mam, kein Aber . Der Typ ist mir auf der Fahrt gehörig auf den Sack – ähm, ich meine Keks – der ist mir auf den Keks gegangen.“
    Meine Mutter schaut mich entsetzt an. Ich weiß gerade nicht, ob es ist, weil ich zu meiner Unfreundlichkeit stehe oder weil ich in ihrer Gegenwart versehentlich das Wort Sack benutzt habe.
    „Mam, der Kerl ist schwul!“ Noch während ich diese verzweifelte Erklärung ausspreche, ahne ich, dass ich mir soeben mein eigenes Grab schaufle. Verdammt! Warum habe ich nicht einfach weiter die Klappe gehalten? Damit wäre ich besser gefahren. Jetzt im Nachhinein ist doch eh nichts mehr an der Sache zu ändern.
    „Finn!“ Meine Mutter reißt wie erwartet die Augen auf. „Es ist doch nicht schlimm, nur weil ein Mann – also, homosexuell ist …“
    „Nein, darum geht es auch nicht.“
    „Worum dann?“
    Jetzt sitze ich in der Patsche. Super!
    „Er hat mich angebaggert!“, sage ich entnervt.
    „Sprich normales Deutsch mit mir!“
    „Verflucht, Mam! Du weißt ganz genau, was ich meine!“
    „Nein, das weiß ich nicht“, sagt sie stur und ich sehe es in ihren Augen funkeln. Natürlich lügt sie. Da muss ich mich erst mal wieder dran gewöhnen, dass man sich in Gegenwart meiner Mutter gepflegt auszudrücken hat.
    Ich seufze: „Er hat mir amouröse Avancen gemacht.“
    „Na, es geht doch.“
    „Deutsch war das aber auch nicht wirklich, oder?“
    „Willst du mich ärgern, Finn Falkner?“
    „Nein, und ich hoffe, dass das auch für dich gilt. Können wir jetzt nach Hause fahren?“
    „Warum hast du nicht mit ihm gesprochen?“ Meine Mutter ignoriert meine Bitte gekonnt. „Du hättest ihm sagen können, dass du nicht an einer Männerliaison interessiert bist. Homosexuelle Menschen sind durchaus auch zur Kommunikation fähig.“
    „Ach, woher hast du das denn bitte?“ Ich lache.
    „Möchtest du deine alte Mutter jetzt verspotten?“
    „Nein, Mam, ich will nur heim und …“
    „Du kannst froh sein, dass du nicht so empfindest. Das ist nämlich sicherlich nicht der leichteste Weg, sein Leben zu führen. Und ein wenig Respekt und Rücksichtnahme …“
    „Mutter, ich muss jetzt nicht mit dir diskutieren, wie man mit Schwulen …“
    „Nenn sie nicht immer so. Das Wort heißt homosexuell . Das andere klingt so – respektlos.“
    „Nein, schwul ist ein ganz normales Wort.“ Ich schließe die Augen und wünsche mir, ich hätte niemals damit angefangen. Zudem komme ich mir auch absolut dämlich vor, dass meine Mutter mich hier aufzuklären versucht. Aber dieses ganze unsinnige Gerede hätten wir jetzt nicht, wenn ich geoutet wäre. Sicher bin ich mir

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