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Der Schichtleiter

Titel: Der Schichtleiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Seinfried
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letzten Semestern war das immer ziemlich spannend, weil in dem Büro ein Azubi arbeitet, der mich heimlich anhimmelt. Total süß. Leider sehe ich ihn nur am Anfang und am Ende meiner Zeit hier. Heute ist er nicht da … Ich bin fast ein bisschen enttäuscht. Aber es ist auch gut so, immerhin bin ich mit Marco zusammen.
    Etwa eine Stunde dauert der bürokratische Ablauf, dann kann ich endlich zu meiner vertrauten Werkshalle.
    „Da bist du ja!“, mault mein Chef sofort los, als ich am Hallentor vorbeigehe. „Umziehen! Beeil dich! Zack-zack!“
    Ich überhöre ihn einfach und marschiere im gleichen Tempo auf den Wäscheraum zu. Hier liegen weiße Hosen, Hemden und Jacken in allen Größen. Dazu gibt es schwarze Sicherheitsschuhe und gelbe Helme und Handschuhe. Ich beeile mich absichtlich nicht, weil ich meinen Schichtleiter nicht sonderlich mag. Noch ein Grund, sich auf die Spät- und vor allem Nachtschicht zu freuen. Ausgerechnet früh morgens dieses Gesicht sehen zu müssen, ist schon eine Zumutung.
    Fertig ausgestattet, hänge ich meine eigenen Klamotten in einen der Metallschränke. Plötzlich wird die Tür aufgerissen und ein umwerfend süßer Kerl kommt herein.
    „Hi“, sagt er und lächelt mich an, dass mit einem Mal die gesamte Umkleide nebst heruntergekommener Dusche gemütlich wirkt.
    „Hi“, antworte ich. „Neu hier?“
    „Ja, nebenan, Gebäude 7. Man hat mir gesagt, ich kann mir hier Arbeitskleidung besorgen. Ich bin übrigens Kevin.“
    „Ich heiße Finn. Da drüben findest du alles, was du brauchst.“ Ich deute auf das Wäscheregal und beobachte den kleinen Kerl, wie er sich Klamotten in seiner Größe heraussucht und anprobiert.
    „Bist du Azubi?“
    Er sieht mich ein wenig vorwurfsvoll an. „Werkstudent.“
    „Oh …“ Schönes Fettnäpfchen. „In ein paar Jahren freust du dich, wenn dich alle für jünger halten.“ Ich zwinkere ihm zu.
    Er grinst. „Na ja, ich bin tatsächlich erst sechzehn.“
    „Wow, dann bist du aber ziemlich schnell.“
    „Hab zwei Klassen übersprungen.“
    „Und was studierst du jetzt?“
    „Chemie. Und du?“
    „Ach, lassen wir das.“ Ich winke ab. Neben solche Studiengängen kommt man sich mit Sprachwissenschaften immer ein wenig armselig vor. Naturwissenschaften sind echte Herausforderungen, da braucht es schlaue Köpfe. Alle anderen studieren mehr als Hobby Germanistik. So sieht doch die allgemeine Meinung aus.
    „Also studierst du Germanistik?“, stellt mein Gegenüber auch gleich fest und grinst.
    Ich antworte nicht. Da komme ich mir schon blöd vor, weil der süße Kerl ein Überflieger ist, und jetzt muss ich mir auch noch die üblichen Sprüche reinziehen.
    „Ihr habt einfach das Pech, dass bei eurem Studium kein Produkt rauskommt. Mit Chemie muss ich mir da keinen Kopf machen. Da arbeite ich einfach in einem solchen Laden hier und experimentiere teure Medikamente zusammen und das lässt sich am Ende prima verkaufen. Sprache und Philosophie werden zwar überall benötigt und sind wichtiger denn je, aber das lässt sich schlecht verkaufen und daher wollen alle die Ergebnisse umsonst haben.“
    Okay, damit hat sich das Kerlchen gerettet. Ich bin sogar ziemlich beeindruckt.
    „Meinst du, die Klamotten gehen?“ Er dreht sich um und zeigt mir seine Arbeitskluft. Total süß.
    „Siehst super aus.“
    Jetzt wird er rot. Tatsächlich hab ich meine Aussage auch weniger auf die Arbeitssachen bezogen.
    „Gut, dann geh ich mal. Man sieht sich.“
    „Ja, bis dann“, sage ich und atme einmal tief durch, als er weg ist. Was für ein Früchtchen! Ich glaube, ich bin verliebt. Und so unbefangen, wie er sich hier vor mir gedreht hat, damit ich die Passform der Klamotten beurteile, könnte er sogar schwul sein.
    Seufzend mache ich mich auf zur Arbeit.
    Gebäude 6 ist eine ziemlich heruntergekommene Fabrikanlage. Noch mit rotem Backstein gebaut, versprüht mein Arbeitsplatz einen Charme, als könne das ganze Ding jeden Moment über einem zusammenbrechen. Mein Vater hat mir erzählt, dass die alten Gebäude nach und nach durch neue ersetzt werden. Nummer 6 ist die letzte der alten Werkshallen. Wahrscheinlich sammeln sich hier auch deshalb die Verrückten, die entweder kurz vor der Rente oder kurz vorm Durchglühen stehen. So viel habe ich schon mitbekommen: Einige scheinen hier tatsächlich ein paar giftige Dämpfe zu viel intus zu haben. Andererseits bietet die Produktion in Gebäude 6 nicht sonderlich Gefahrenquellen. Es ist also durchaus sinnvoll, hier die

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