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Der Schiffsjunge der Santa Maria

Der Schiffsjunge der Santa Maria

Titel: Der Schiffsjunge der Santa Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schwieger
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Vögeln hören. In den Bäumen sah er Affen und Papageien herumturnen   – und auf einmal fielen ihm Menschen auf, die nackt zwischen den Bäumen umherliefen und aufgeregt auf die Schiffe zeigten. Waren das etwa Indios?
    Erst in der Mittagsstunde fanden sie eine ruhige Bucht, in der die Schiffe gefahrlos ankern und dieBoote zu Wasser gelassen werden konnten. Luis konnte es kaum erwarten.
    Eine Handvoll Männer aus jedem der drei Schiffe durfte als Erste das neue Land betreten. Luis war stolz wie ein Pfau, dass er zu ihnen gehörte.
    Kolumbus hatte seine kostbarsten Kleider angelegt. In der rechten Hand hielt er die königliche Fahne. Peralonso und Polifemo ruderten mit ihren kräftigen Armen das Boot der Santa Maria. Mit an Bord waren außer Kolumbus noch Luis, Ramon, Jacomo und der königliche Notar, der die Inbesitznahme des neuen Landes beurkunden sollte.
    Der Admiral sprang als Erster aus dem Boot. Er watete durch das flache Wasser auf den Strand, fiel auf die Knie, küsste den Sand, faltete die Hände und dankte Gott in einem stillen Gebet. Alle anderen taten es ihm nach.
    Als einer der Letzten betrat Luis das Land. Er hatte butterweiche Knie. Seit bald vierzig Tagen hatte er keinen festen Boden mehr unter den Füßen gehabt. Er schaute sich mit großen Augen um. Wo waren die Menschen, die sie vor einigen Stunden noch gesehen hatten? Oder würde gleich der Große Khan aus dem Wald kommen, auf einem Elefanten reitend, und sie in seinen Palast einladen?
    Die Stimme des Admirals riss ihn aus seinen Überlegungen. Kolumbus hatte die königliche Fahne in den Sand gesteckt und die Arme weit ausgebreitet: »Hiermit gebe ich dieser Insel den Namen unseres Erlösers und nenne sie San Salvador. Und ich erkläre sie zum Besitz der Königin Isabella und des Königs Ferdinand von Spanien.«
    Der Notar hielt die Worte des Admirals in einem Buch fest.
    »Dass das so einfach geht«, sagte Luis mehr zu sich selbst.
    »Was meinst du?«, fragte Ramon, der neben ihm stand. Luis hatte ihn gar nicht bemerkt. Seit der Nacht vor der Kajütentür hatte Ramon seine Gemeinheiten gegenüber Luis eingestellt. Trotzdem hatten sie noch kein Wort miteinander gesprochen. Mit ihm reden kann ich ja, dachte Luis, solange er seine Ellenbogen nicht in meine Rippen rammt.
    »Na, diese Insel einfach so in Besitz zu nehmen«, sagte er. »Sie gehört doch den Leuten, die hier leben, oder?«
    Ramon zuckte mit den Schultern. »Aber wir haben sie entdeckt. Und darum gehört sie jetzt uns. Also dem König und der Königin. So machen die Portugiesen das auch.«
    Luis runzelte die Stirn. »Wenn du meinst   …«
    »Du, hör mal«, sagte Ramon, »ich wollte dir eigentlich noch etwas sagen.«
    Luis horchte auf.
    »Damals, als wir abfuhren«, Ramon verknotete die Finger und suchte nach Worten. »Die Sache auf der Planke. Mit der Orangenkiste.«
    Luis hob die Augenbrauen.
    »Also, ich wusste nicht, dass du nicht schwimmen kannst. Jacomo hat es mir neulich erzählt. Ich wollte dich nur ein bisschen erschrecken.«
    »Das ist dir gelungen«, sagte Luis und versuchte, seine Überraschung zu verbergen.
    »Also, tut mir leid«, druckste Ramon. »Die Arbeit mit dem Koch ist übrigens gar nicht so übel.«
    »Na, dann willst du mich also erst mal nicht über Bord schubsen?«
    »Erst mal nicht«, sagte Ramon und grinste.
    »Danke, dass du dich mit vor die Kajütentür gestellt hast«, sagte Luis. »Gegen die Meuterer.«
    »Kein Problem«, sagte Ramon und warf sich in die Brust. »Wir wollen nach Indien, oder? Das lassen wir uns doch nicht von so ein paar Dummköpfen vermasseln, was?«
    »Nee, bestimmt nicht«, sagte Luis. Jetzt mussteauch er grinsen. »Übrigens, ich wollte dich fragen   …«
    »He, ihr beiden!«, rief Jacomo zu den Jungen herüber. »Seht mal da!«
    Ramon und Luis folgten mit ihren Blicken Jacomos ausgestrecktem Arm, der auf den Waldrand wies. Von dort näherten sich zögernd etwa zwei Dutzend dunkelhäutige Menschen, Männer, Frauen und Kinder. Sie wirkten verunsichert.
    »Indios«, flüsterte Luis. »Die hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Die sind ja splitternackt!«
    Die Eingeboren waren bis auf wenige Schritte an die Spanier herangekommen. Ihr Haar war schwarz und auf der Stirn kurz geschnitten. Im Nacken hatten sie es länger wachsen lassen. Einige Gesichter waren bemalt, andere trugen bunte Zeichen auf dem ganzen Körper. Viele von ihnen hatten kleine Schmuckstücke in der Nase oder an den Ohren. Keiner war bewaffnet.
    Kolumbus und

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