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Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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gedämpfte Schritte, die in meine Richtung kamen, aber ich lief bereits zum Ausgang. Wenn ich noch länger blieb, würde ich das Insektenhaus garantiert in Schutt und Asche legen. Also tat ich das, was ich in meinem Leben am meisten trainiert hatte.
    Ich rannte.
    Überall um mich herum flogen, hüpften und schwirrten Dinge durch die Luft, während ich auf dem kürzesten Weg zur Tür lief. Metallschrauben regneten herab wie Hagelkörner, und ich wünschte mir ernsthaft, dass Fedora ihren Helm nicht auf der Waldwiese zurückgelassen hätte.
    Rocket hatte Recht. Ich würde es nie lernen.

20
    Die vorbeifahrenden Autos und die von der Straße aufsteigende Hitze nahm ich kaum wahr, während ich nach Osten rannte und dabei Sarah Janes Zeitung zerfetzte.
    Ich lief in die Stadt hinein und bremste kurz ab, als ich vor dem Postamt einen Elektrikerwagen sah; ein Techniker überprüfte gerade den Transformator und die Stromleitungen. Das Einzige, was mich sonst noch dazu brachte, mein Tempo zu verringern, war das neue rot-weiße Zwangsvollstreckungsschild an der Tür von Willies Schnäppchenmarkt .
    Na toll. Noch ein Laden für Cabots Sammlung.
    Bald stand ich atemlos und zitternd auf dem Gehsteig gegenüber von Cabots monströs wirkendem Haus und seinem abschreckenden Zaun mit den Eisenspitzen. Ich würde nicht zulassen, dass Sarah Jane Cabot weiter mein Leben ruinierte oder meine Familie bedrohte.
    Während ich mich zu entscheiden versuchte, ob ich anklopfen oder gleich die Tür einreißen sollte, duckte ich mich in den Schatten eines Gebüschs – in angemessenem Abstand zu den sieben neu aufgestellten Briefkästen, die ich bei meinem letzten Besuch dem Erdboden gleichgemacht hatte. Obwohl »angemessen« wohl bedeutet hätte, dass ich mich in der östlichen Hälfte von South Dakota oder auf der erdabgewandten Seite des Mondes befand.
    Ich betrachtete den Zaun, der das Haus und den Wald aus Baumstümpfen aller Art umgab. Der vertraute metallische Geschmack war zurückgekehrt; er klebte an meiner Zunge, als hätte ich die Eisenpfosten abgeleckt.
    Mein Blick blieb an der einzelnen hohen Birke hängen. Sie bog sich herab, als wollte sie das Haus umarmen. Ich war überrascht, als ich Sarah Jane unter dem Baum erspähte. Sie lag bäuchlings auf einer niedrigen Marmorbank, die Beine angewinkelt, die Füße gekreuzt. Ihre Haare waren nicht wie sonst zu Zöpfen geflochten, sondern hingen lose herab, während sie ihre Wange auf den kühlen Stein drückte und gedankenverloren an einigen Grasbüscheln herumzupfte. Wie ich Sarah Jane kannte, fantasierte sie sich wahrscheinlich gerade alle möglichen neuen Geschichten zusammen, mit denen sie mein ohnehin schon verpfuschtes Leben noch weiter ruinieren konnte. Ich fragte mich, ob sie die Schmetterlingspuppe bei sich trug oder oben in ihrem Zimmer versteckt hatte.
    Ich verließ meinen Beobachtungsposten und trat auf die leere Straße hinaus. Das Gezirpe der Grashüpfer auf dem Hügel hinter dem Haus machte einen Lärm, als würden die Zähne Tausender Kämme über Pappe gezogen. Ich hielt die Augen offen, um jegliche Anzeichen von Mr Cabot – oder der Haushälterin mit den Glupschaugen – sofort zu bemerken. Ich hatte Autry versprochen, dass ich nie wieder einen Schuh in das Haus der Cabots setzen würde. Aber da Sarah Jane ja bereits draußen war, würde ich mein Versprechen auch nicht brechen müssen.
    »Hey!«, rief ich beim Überqueren der Straße und blieb in einiger Entfernung zum Zaun stehen. Sarah Jane schaute hoch. Sie winkte und lächelte, als wäre ich ihr allerbester Freund und käme vorbei, um ihr Zöpfe zu flechten und mit ihr Seilchen zu springen. Dann erhob sie sich von der Bank und spazierte, immer noch lächelnd, auf mich zu.
    »Wusste ich’s doch, dass ich dich dazu kriege, mich noch mal zu besuchen, Cowboy«, sagte sie im Näherkommen, während ihre Haare sie in der leichten Brise umflatterten. »Ist die Post angekommen?«
    Ich ballte die Fäuste, da mir in diesem Moment dämmerte, was los war. Sarah Jane hatte gar keinen Königin-Alexandra-Vogelfalter. Wie hätte das auch gehen sollen? Autry oder Gypsy wäre doch sofort aufgefallen, wenn einer gefehlt hätte. Sie hätten Alarm geschlagen, und ich hätte es mitbekommen.
    »D-du hast mich ausgetrickst mit diesem Artikel!«, stotterte ich. »Du hast gar keinen Schmetterling von meinem Onkel, stimmt’s?«
    »Nein, Cowboy. Hab ich nicht«, erwiderte Sarah Jane und zeigte wenigstens so viel Anstand, entschuldigend die

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