Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
Vom Netzwerk:
zu heiß wird zum …« Fe schloss schnell den Mund, da ihr wieder einfiel, dass sie nichts verraten durfte. Mir machte das nichts aus. Ich hatte in dem Moment wesentlich größere Geheimnisse – sie füllten sogar eine ganze Zeitung.
    »Sag Marisol und Mesquite, ich hab zu tun«, antwortete ich gereizt und versteckte den Papierball hinter meinem Rücken. »Sag ihnen, ich will keinen Unterricht mehr. Mir reicht’s. Das hilft mir ohnehin nicht weiter.« Ich zuckte innerlich zusammen, als ich an den eingestürzten Klapptisch und die Einzelteile von Autrys zweitem Handy zurückdachte. »Mir hilft gar nichts weiter.«
    »Was hast du denn mit der Post bekommen, Ledge?« Fedora zog ihren Helm vom Kopf, setzte sich auf den Boden und hob den leeren Umschlag auf. Ich schnappte danach, griff jedoch daneben und ließ dabei den Ball aus der anderen Hand fallen. Die Knüllerausgabe fiel auf meine Ferse und sprang von dort gegen einen der Wacholderstümpfe. Ich stürzte mich sofort darauf, aber es gelang mir lediglich, das zusammengeknüllte Papier zwischen mir und Fedora in die Luft zu schlagen.
    »Was ist das? Zeig mal!« Fedora griff nach dem auf sie zusausenden Papier. Ich schlug es erneut weg, und dann spielten wir Hacky-Sack mit dem Papierball. Bitsy machte mit. Der inzwischen mit dem ganzen Körper wedelnde Hund stellte sich mir in den Weg, so dass ich ins Stolpern geriet und den Papierball versehentlich zu meiner Schwester weiterspielte.
    »Au! Mein Auge!«, schrie Fedora und drückte sich die Hand aufs Auge, als hätte ich sie getroffen. »Eile mit Weile, Ledge! Eile mit Weile!«
    Der Papierball war sofort vergessen, und ich beugte mich besorgt über sie. »Alles in Ordnung, Fe? Lass mal sehen …«
    »Ha! Hab ich dich!« Kaum war ich näher herangekommen, versetzte Fedora mir einen kräftigen Stoß – jedenfalls einen so kräftigen, dass ich das Gleichgewicht verlor. Während ich mit den Armen ruderte, um nicht hinzufallen, bückte sie sich und ergatterte die Zeitung. Dann rannte sie den Weg hinunter zu dem einzigen Ort, von dem sie wusste, dass ich ihr dorthin nicht folgen konnte.
    In null Komma nichts war ich ebenfalls auf dem Weg und lief ihr hinterher. Bitsy neben mir. Aber als wir an der Tür des Insektenhauses ankamen, blieben wir beide stehen. Mit wild klopfendem Herzen schaute ich an dem Gebäude empor. Autry hatte mir erklärt, der erste Schritt, meinen Schimmer unter Kontrolle zu bekommen, bestehe darin, dass ich mir bewusst machte, wovor ich Angst hatte. Bislang hatte mir das allerdings nicht weitergeholfen.
    Um mich zu beruhigen, zählte ich von zehn rückwärts – sechs oder sieben Mal –, bis ich spürte, dass mein Puls langsamer wurde. Ich musste es nur schaffen, kurz ins Insektenhaus reinzuflitzen, Fedora die Zeitung abzunehmen und wieder rauszulaufen, ohne dabei das ganze Ding einzureißen.
    Bitsy legte sich winselnd neben mir auf den Boden. Ihre Augen schossen zwischen mir und dem Insektenhaus hin und her, als verstände sie in all ihrer Hundeweisheit genau, wovor ich mich fürchtete.
    »Bleib, Bitsy«, befahl ich und stieß die äußere Tür des Insektenhauses auf. Ich hielt kurz inne, um all die Spiegel und Ventilatoren zu bestaunen, die zwischen der äußeren und der inneren Tür angebracht waren – Vorsichtsmaßnahmen, damit keine exotischen Insekten entfliehen und schlimme Schäden anrichten konnten. Ich erblickte mich in den Spiegeln. Auf ein Mal konnte ich mich von allen Seiten sehen – von hinten, von vorn, von rechts und von links –, was mir das seltsame Gefühl vermittelte, zugleich ganz und in hundert Stücke zerbrochen zu sein.
    Im Insektenhaus war es ganz neblig vor lauter Wasserdampf. Leise summende Ventilatoren schickten eine sanfte Brise durch das Blättergewirr und wirbelten den Geruch von Moos und Torf auf. Der vertraute metallische Geschmack in meinem Mund wurde kurzzeitig vom satten Aroma der feuchten, schweren Luft überlagert. Fast konnte ich das Dach aus Glas und Stahl über mir vergessen, unter dem kreuz und quer die Rohre der Beregnungsanlage und schwere Stahlseile verliefen, an denen die üppigen, blühenden Pflanzen emporrankten. Ebenso konnte man all die Nägel und Schrauben in den Wänden und die aus zig Einzelteilen bestehenden Motoren in den Ventilatoren nur allzu leicht aus den Augen verlieren.
    Ich fand das Insektenhaus einfach nur großartig … bis ich etwas krabbeln sah. Und wie das krabbelte. Überall. Es krabbelte und schwirrte, flatterte und

Weitere Kostenlose Bücher