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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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wie schnell sie die Technik ihrer Mentorin gelernt hatte, anderen Komplimente zu machen, die in Wahrheit nichts als hübsch verkleidete Unverschämtheiten waren, und Aprils Probleme eiskalt benutzte, um Davina eins reinzuwürgen. Davina hingegen sah aus, als würde sie am liebsten in den Ritzen zwischen den Fliesen versinken.
    »Ich wollte nur sehen, ob alles in Ordnung ist«, fuhr Ling fort. »Hey, wieso setzt du dich nicht zu uns. Wenn du willst, kannst du deine … Freundin gern mitbringen.«
    »Nein, nein, ist schon okay«, wiegelte April ab.
    In diesem Moment trat Caro mit einem voll beladenen Tablett zu ihnen.
    »Hi«, begrüßte sie Simon schüchtern.
    April beobachtete Simons Reaktion mit Argusaugen – sein Lächeln war aufrichtig, da war sie sich ganz sicher. Möglicherweise hatte auch Ling es bemerkt, denn sie schlang ihm den Arm um die Taille.
    »Gott, Caro, willst du das alles essen?«, fragte sie lachend. »Diese Pommes. Ich gehe ja schon auseinander wie ein Hefekloß, wenn ich nur hinsehe.«
    »Tja, in diesem Punkt sind wir wohl ziemlich verschieden, was?« Caro schob sich einen halben Donut auf einmal in den Mund.
    »Gott sei Dank«, schoss Ling zurück und zog Simon mit einem flüchtigen Winken in Aprils Richtung mit sich.
    »Allerdings«, bemerkte Davina leise. April bekam eine Gänsehaut, als sie den Ausdruck auf ihrem Gesicht bemerkte: blanker, unverbrämter Hass. Und noch etwas anderes. Hunger.
    Liebe Güte, wenn Blicke töten könnten , dachte sie.
    Aber in Ravenwood waren es nicht die Blicke, vor denen man sich fürchten musste.

Siebtes Kapitel

    A pril steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Haustür.
    »Grandpa?« Ihre Stimme hallte in der marmornen Eingangshalle.
    »Dein Großvater ist in der Küche, April.«
    April fuhr zusammen, als Stanton, Thomas Hamiltons Butler, aus den Schatten trat. Wieso zum Teufel versteckt er sich hier? , dachte sie. Lauert er den ganzen Tag hinter der Diele darauf, dass jemand kommt?
    Sie nickte und ging mit gesenktem Kopf die Treppe hinunter in die Küche. Sie seufzte. Grandpas Butler war nicht der einzige Grund, weshalb ihr der Umzug nach Covent Garden so schwer gefallen war. Erstens war das Haus ungefähr zehnmal so groß wie ihr Zuhause in Highgate und schien aus zahllosen dunklen Ecken und Korridoren zu bestehen. Und zweitens fühlte sie sich unter ständiger Beobachtung – nicht nur durch den hageren Stanton, auch ihr Großvater schien sie keine Sekunde aus den Augen zu lassen. Seit sie mit ihrem Köfferchen in der Hand vor der Tür gestanden hatte, saß Grandpa ihr pausenlos im Genick, um sicherzugehen, dass es ihr an nichts fehlte. Natürlich meinte er es nur gut, aber im Moment brauchte sie das genaue Gegenteil – etwas Zeit für sich, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Es gab so viele offene Fragen und Ungereimtheiten, dass sie manchmal fürchtete, ihr platze gleich der Schädel. Trotzdem war es immer noch besser, als mit Silvia unter einem Dach zu leben. Immerhin hatte sie hier das Gefühl, willkommen zu sein.
    »Da ist sie ja«, rief Thomas, als sie die Treppe herunterkam. »Meine kleine Prinzessin ist endlich zu Hause.«
    April hatte vergeblich versucht, ihrem Großvater abzugewöhnen, sie ständig »Prinzessin« zu nennen. Schließlich sei sie keine Sechsjährige in rosa Kleidchen, hatte sie gesagt, doch die Mühe hätte sie sich ebenso gut sparen können. Für Grandpa Thomas war April immer noch das kleine Mädchen mit den rosigen Wangen und würde es wohl auch immer bleiben. Und insgeheim gefiel April die Vorstellung sogar. In dieser chaotischen Phase ihres Lebens war es beruhigend, einen Fels in der Brandung zu haben und in der Gewissheit leben zu können, dass dieser Bär von einem Mann nicht zulassen würde, dass seiner heißgeliebten Enkelin etwas zustieß.
    »Komm, setz dich, ich habe gerade Tee gemacht«, sagte er, zog einen Stuhl heran und stellte eine zweite Tasse auf den Küchentisch. »Du musst mir unbedingt von deinem ersten Tag an der Schule erzählen.«
    April schnitt eine Grimasse. »Sie haben uns den neuen Rektor vorgestellt«, sagte sie und goss Milch in ihren Tee.
    »Und, magst du ihn nicht?«
    April zuckte mit den Achseln. Sie wusste, dass sie vorsichtig sein musste. Grandpa Thomas war auf irgendeine Weise mit Ravenwood verbandelt; sie hatte es hauptsächlich seinem Einfluss zu verdanken, dass man sie dort aufgenommen hatte.
    »Na ja, er scheint mich zu mögen. Er will mich als Schulsprecherin haben.«
    »Als

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