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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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Wenn keiner Angst hätte, von der Klippe zu stürzen, würden die Menschen heute noch in Höhlen wohnen. Man darf bloß nicht zulassen, dass die Angst einen lähmt. Du bist noch jung. Du solltest in die Welt hinausziehen und dich amüsieren«, meinte er und stieß sie mit dem Ellbogen an. »Und mit diesem Gabriel knutschen.«
    April lief rot an. »Grandpa!«
    »Ich weiß doch, wie ihr jungen Dinger seid. Nichts als Jungs, Jungs, Jungs im Sinn. Deine Mutter war ganz genauso.«
    April schnitt eine Grimasse.
    »Was das angeht, hat sich daran bis heute nichts geändert.«
    Thomas’ Lächeln verblasste kaum merklich.
    »Nein, und ich will auch gar nicht schönreden, was deine Mutter getan hat. Das war sehr schlimm. Meine Familie und Silvia sind das Allerwichtigste für mich«, sagte er. »Aber sie hat sich von ihr abgewandt. Trotzdem liebe ich sie, und du auch, soweit ich es beurteilen kann.«
    »Natürlich tue ich das, trotzdem möchte ich sie im Moment nicht um mich haben.«
    Thomas musterte sie mit schief gelegtem Kopf.
    »Aber du machst dir auch Sorgen um sie, oder nicht?«
    April zuckte mit den Achseln. »Vermutlich. Sie ist ganz allein in diesem Haus, und da draußen läuft ein Irrer herum. Ich will nicht, dass ihr etwas zustößt.«
    »Ihr passiert schon nichts, mein Schatz. Ich weiß, dass du mich auslachst, wenn ich sage, dass sich die Hamilton-Frauen von nichts und niemandem unterkriegen lassen, aber es stimmt tatsächlich. Ich hatte eine Schwester, wusstest du das?«
    April schüttelte den Kopf. Thomas redete zwar immer davon, wie wichtig der Familienzusammenhalt sei, aber abgesehen von ihren Eltern, ihrem Großvater und Onkel Luke, der sich nur sporadisch blicken ließ, kannte sie niemanden aus ihrer Verwandtschaft. Sie ahnte, dass sie Teil einer weit verzweigten Familie mit zahlreichen Cousins, Halbgeschwistern und um drei Ecken verwandten Onkeln »in der alten Heimat« sein musste, doch keiner hatte sie jemals zu einem Familientreffen mitgenommen oder von ihrem Stammbaum erzählt. Vielmehr hatte April den Verdacht, dass zwischen den Beteiligten eine uralte Feindschaft herrschte, über die niemand sprechen wollte. Nicht dass sie scharf darauf gewesen wäre, zu einem öden Familientreffen geschleppt zu werden, wo sie mit langweiligen alten Tanten plaudern und ekligen eingelegten Fisch essen musste, trotzdem hätte sie gern mehr über die finster dreinblickenden Gestalten auf den Ölgemälden in der Eingangshalle erfahren.
    »Deine Großtante und Silvias Tante Katrine …«, begann Thomas, während ein wehmütiges Lächeln auf seine Züge trat. »Meine Güte, was für ein Wildfang, aber immer den Kopf in den Wolken. Einmal hat unsere Mutter sie wegen irgendetwas ausgeschimpft. Vielleicht weil sie die Milch hat überkochen lassen oder die Ziege nicht gefüttert hatte oder sonst etwas. Jedenfalls rannte Katrine hinaus und in den Wald, hob mit einer Astgabel einen Bienenstock von einem Baum herunter und ließ ihn zwischen die Fensterläden unseres Hauses fallen.«
    »Was?«, japste April. »Und was ist dann passiert?«
    Thomas schüttelte den Kopf.
    »Ich war damals noch ganz klein, aber sie haben mir erzählt, ich hätte am ganzen Körper Bienenstiche gehabt. In dem Chaos stieß mein Vater auch noch eine Laterne um und steckte um ein Haar das gesamte Haus in Brand.« Er lachte leise. »Das meine ich damit, wenn ich sage, die Hamiltons sind starke Frauen. Wir haben Pfeffer im Hintern. Damals, in der alten Heimat, hieß es immer, der erste Hamilton sei halb Mensch, halb Drache gewesen.«
    April starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Thomas brach in schallendes Gelächter aus.
    »Dieses unsinnige Gerede war einer der Gründe, weshalb ich ausgewandert bin. Dort drüben glauben die Leute an diese Ammenmärchen.«
    April lachte ebenfalls. Vielleicht war ein Leben als Furie ja gar nicht so ungewöhnlich, wie sie angenommen hatte. Vielleicht lag dieses Talent ja in der Familie.
    April lag im Bett und griff nach ihrem Handy. Sie hatte einen rundum beschissenen Tag hinter sich, und sie musste unbedingt mit Gabriel über alles reden. Mittlerweile hatte sie es geschafft, ihn zu überreden, den Sprung ins 21. Jahrhundert zu wagen und sich ein Handy zuzulegen, doch als sie die Nummer wählte, sprang sofort die Mailbox an.
    »Hey, Babe. Ich wollte nur deine Stimme hören«, sagte sie. »Es war ein ziemlich heftiger Tag heute. Na ja, vielleicht sollte ich ja wieder mal sagen. Ruf mich zurück, okay? Kuss.«
    Sie ließ das

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