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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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Seite. Auf diese Weise stand Ravenwood wie eine feinfühlige Institution da, die die Katastrophen der Vergangenheit hinter sich ließ und nach vorn blickte. Darüber hinaus war Tame vollkommen klar, dass April das Angebot keinesfalls ablehnen konnte, wenn sie nicht undankbar erscheinen wollte. Sein Gesicht verzog sich zu diesem typisch blasierten Lächeln – er wusste genau, dass er sie in der Tasche hatte.
    April saß wie versteinert da. »Ich … ich bin nicht sicher, ob ich …«
    »Ich werte das als ein Ja«, erklärte Tame, erhob sich und streckte ihr die Hand entgegen. »Und ich freue mich, dich an Bord zu haben, April. Du bist ein echter Zugewinn für diese Schule.«

Sechstes Kapitel

    E in schlauer Schachzug«, bemerkte Caro, als April ihr von dem Gespräch mit Tame erzählte. »Sehr, sehr schlau.«
    »Das hört sich ja fast so an, als hättest du Respekt vor ihm«, meinte April. Es war Mittag, und sie hatten sich in die wenig frequentierte Damentoilette neben der Bibliothek verzogen. Caro saß auf dem Waschbecken mit dem Rücken zum Spiegel und bepinselte ihre Nägel mit leuchtend grünem Lack.
    »Nein, zumindest nicht im Sinne von Respekt -Respekt«, widersprach sie. »Für mich ist Charles Tame immer noch die Ausgeburt Satans, trotzdem war das ein sehr schlauer Schachzug, das muss ich ihm lassen. Das ist der klassische Politikerkniff: Die Katastrophe immer schön in etwas Positives ummünzen; nicht über den Berg Leichen lamentieren, sondern den Fokus der Allgemeinheit auf das kluge, hübsche Mädchen richten, das sich aus der Tragödie erhebt wie Phönix aus der Asche.«
    »Caro!« Sie hatte zwar nachgesehen, ob sämtliche Kabinen tatsächlich leer waren, außerdem befand sich die Toilette fernab vom Schuss; trotzdem wollte sie nicht, dass man sie belauschte und ihnen vorwarf, sie würden die Situation ins Lächerliche ziehen. April wusste, dass Caro es nicht ernst meinte, andere vielleicht nicht. Caro verdrehte die Augen.
    »Ja, ja, ich weiß«, sagte April. »Aber einige hier waren mit den Leuten, die ums Leben gekommen sind, verwandt oder befreundet, und wir brauchen nicht noch mehr Feinde, als wir ohnehin schon haben.«
    »Stimmt.« Achselzuckend trug Caro eine weitere Schicht Lack auf. »Jedenfalls hast du Doctor Deaths Angebot angenommen. Der Mann weiß genau, dass du nicht Nein sagen konntest, was ja Teil seines hinterhältigen Plans ist.«
    »Was meinst du damit?«
    »Tja, wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, April, aber wenn du später an die Uni willst, brauchst du jede Hilfe, die du nur kriegen kannst.«
    »Im Gegensatz zu dir, meinst du?«, gab April verdrossen zurück.
    »Na ja, wenn ich ehrlich sein soll, ist es leider so. Wir sind alle echte Schlauberger, Simon, Ling und alle anderen. Daran gibt es nichts zu rütteln«, stellte Caro fest. »Lass uns den Tatsachen ins Auge blicken, April. Wenn du an eine der supercoolen Unis willst, musst du gegen Leute wie uns antreten. Weshalb also nicht jedes Mittel nutzen?«
    »Uni?« April lachte auf. »Sollte ich mit achtzehn zufällig noch am Leben sein, zerbreche ich mir darüber gerne den Kopf. Bis dahin steht meine schulische Karriere bestimmt nicht an oberster Stelle.«
    »Tja, auch in diesem Punkt hat unser Doc dich ausgetrickst«, sagte sie. »Wahrscheinlich war ihm klar, dass es dich einen Dreck interessiert, aber er wusste, dass du auf keinen Fall zu Grandpa Thomas gehen und ihm erzählen kannst, du hättest sein Angebot, Schulsprecherin zu werden, abgelehnt. Dein Großvater würde ausflippen.«
    April stöhnte. Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht, aber es war Charles Tame durchaus zuzutrauen, dass er ihren Großvater anrief und ihm die Neuigkeit brühwarm erzählte. Caro hatte recht: Der Mistkerl hatte sie über den Tisch gezogen. Offenbar hatte sie ihn unterschätzt – ein Fehler, der ihr auf keinen Fall noch einmal unterlaufen würde.
    »Also bin ich jetzt auch ein Rädchen in der Ravenwood-Maschinerie?«
    »Das ist doch brillant, kapierst du das denn nicht?«, rief Caro. »Damit haben sie uns direkt in die Hände gespielt und wissen es noch nicht einmal. Tame glaubt, er würde dich mit dieser Finte unter Kontrolle halten, als wärst du sein persönliches Schoßhündchen. Aber er hat ja keine Ahnung, dass wir in Wahrheit Teil der Maschinerie sein wollen . Jetzt, wo du dazugehörst, gewähren sie dir vielleicht auch Einblick in ihre Strukturen. Noch wissen wir nicht, wie tief unser neuer Rektor drinsteckt, aber

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