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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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vermutlich ist er ziemlich gut vernetzt, sonst hätte er den Job nicht bekommen. Zumindest wirst du über kurz oder lang den Beirat kennenlernen.«
    »Das stimmt, aber …«
    »Kein Aber«, unterbrach Caro mit fester Stimme. »Du musst das durchziehen, vor allem nach heute Morgen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Was ich damit meine ? Wie sie Dr. Tame bejubelt haben. Die ganze Versammlung glich doch einer Gehirnwäsche.«
    »So schlimm ist es nun auch wieder nicht – oder?«
    »Gott, April, manchmal frage ich mich wirklich, ob du mit Scheuklappen durch die Welt läufst. Sie haben nicht nur den Rektor ersetzt, sondern auch gleich noch drei neue Lehrer eingestellt. Und sie sehen alle definitiv nach Vampir aus, vor allem Miss Holdens Nachfolgerin.«
    »Auch für sie haben sie schon einen Ersatz gefunden?«
    Caro nickte. »Miss Marsh. Helle Haut, schwarze Wahnsinnsmähne, kniehohe Lederstiefel, das Blutsauger-Klischee auf zwei Beinen. Und das ist nicht mal annähernd alles.«
    Sie rutschte vom Waschbecken und bedeutete April, ihr zu folgen. »Komm, ich muss es dir zeigen.«
    April folgte Caro quer durch das Schulgebäude, wobei ihr nicht entging, dass die anderen Schüler sich nach ihr umdrehten. Aber daran hatte sie sich längst gewöhnt; schon seit ihrem ersten Tag in Ravenwood starrten sie sie an. Doch inzwischen hatte sich etwas verändert: Die Mädchen standen zwar immer noch tuschelnd zusammen, doch statt ihrer neugierigen Blicke, nach dem Motto »Sieh mal, das ist das Mädchen, das eine Leiche gefunden hat«, schienen sie nicht zu wollen, dass April und Caro etwas von ihren Unterhaltungen mitbekamen, als würden sie instinktiv spüren, dass die beiden Außenseiterinnen waren.
    »Das ist ja der reinste Hexenzirkel hier«, bemerkte Caro leise. »Offenbar haben sie sich von diesem ›Neue Welt‹-Gequatsche einwickeln lassen. Als hätte der Typ die Elektrizität erfunden.«
    »Das ging ja verdammt schnell«, stimmte April zu.
    »Ja, und das ist nicht allein Tames Verdienst«, sagte Caro. »Wart’s ab, bis du Miss Holdens Ersatz siehst.«
    Sie führte April in Richtung Mensa und ein Stück den Flur hinunter. Als sie um die Ecke bogen, sahen sie eine Schülertraube, die sich vor einer Klassenzimmertür gebildet hatte. April trat hinter sie und spähte über Köpfe und Schultern, um einen Blick darauf zu erhaschen, was im Klassenzimmer vor sich ging: Miss Marsh – nach Caros lebhafter Beschreibung musste sie es sein – saß auf der Tischkante und hielt Hof.
    »Das Ganze zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte«, sagte sie. »Man ging stets davon aus, die ältere Generation hätte mehr Ahnung. Infolgedessen haben wir uns so viele Ideen entgehen lassen, so viel Potenzial nicht ausgeschöpft, bloß weil derjenige, von dem der Vorschlag kam, zu jung war. Aber das ist absolut lächerlich. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass junge Menschen wesentlich innovativer sein können, weil ihre Gehirne viel besser funktionieren und sie noch unbelastet von all dem ›erlernten Wissen‹ sind, mit dem die Erwachsenen ihre Gedankengänge verstopfen. Andererseits dürfen wir Erwachsenen nicht zulassen, dass ihr zu großes Selbstvertrauen entwickelt, sonst wären wir ja arbeitslos.«
    Gelächter wurde laut, während die Lehrerin aufsah und Aprils Blick begegnete. »Deshalb beneide ich euch auch so sehr. Euch steht alles offen, ihr könnt die Führung übernehmen und dem Rest der Welt zeigen, wozu ihr in der Lage seid.«
    April spürte, wie sich die Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. Waren diese Worte an die Klasse gerichtet gewesen oder ausschließlich an sie?
    Caro zupfte April am Ärmel. Sie wandten sich ab.
    »Und, was habe ich dir gesagt?«, meinte Caro. »Das ist wie eine dieser Fernsehpredigersendungen. ›Sei, was du sein kannst‹, ›nur der Himmel ist die Grenze‹ und dieses Gefasel. Es würde mich nicht wundern, wenn sie über die Lautsprecheranlage auch noch ›Simply the Best‹ spielen würden.«
    Sie gingen in die Mensa und stellten sich in der Schlange an.
    »Ich fasse es nicht, dass die Schüler ihnen diesen Unsinn abkaufen«, sagte April und nahm ein Tablett vom Stapel.
    »Wir dürfen nicht vergessen, dass sie Angst haben«, sagte Caro. »Sie sind kleine Genies, die in ihrer Freizeit Schach spielen, statt wie andere zum Karatetraining zu gehen. Sie bekommen mit, wie rings um sie herum Leute sterben, und trauen sich plötzlich nicht mehr, im Dunkeln vor die Tür zu gehen. Und dann kommt ein Dr.

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