Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
Vom Netzwerk:
, dachte sie. Der Schauplatz, der Salon ihres Großvaters, war zwar neu, ansonsten jedoch war alles gleich geblieben: ein Becher lauwarmer Tee vor ihr und ein Polizist, der sie mit Fragen löcherte. Zu einem weiteren Mordfall.
    Noch ein Mordfall. Oh Gott . Und nicht nur irgendeiner. Sie dachte an den Vorabend zurück, an den toten Jungen, aufgespießt am Gartentor, damit sie ihn fand, an die Blutlache, die sich um ihre Partysandalen ausgebreitet hatte.
    »Na gut«, sagte DI Reece, stand auf und trat ans Fenster. »Lass uns noch mal zu der Party zurückgehen. Gabriel und Calvin waren in Streit geraten, sagst du. Ein bisschen Schubsen und Pöbeln, so würdest du es beschreiben, ja?«
    »Genau. Calvin ist auf mich losgegangen, und Gabriel wollte mich beschützen, ihm Angst einjagen, damit er mich in Ruhe ließ.«
    Reece seufzte.
    »Aber ich habe ein Dutzend Zeugen, die aussagen, dass Gabriel Calvin zu Boden gerissen und versucht hat, ihn zu ertränken. Sie dachten, Gabriel würde ihn umbringen.«
    »Er wäre nie so weit gegangen …«
    »Nein, April«, unterbrach Reece »Hör auf, mich anzulügen. Und allmählich habe ich es satt.«
    April wollte protestieren, besann sich jedoch eines Besseren. Sie hatte DI Reece noch nie so wütend erlebt.
    »Bisher war ich dir und deinen Freunden gegenüber sehr nachsichtig, April«, fuhr er fort. »Vor allem nach dem Tod deines Vaters, der dir so an die Nieren gegangen ist, wollte ich dich schonen.«
    »Mr Reece …«
    »Nein, April, ich bin noch nicht fertig!«, unterbrach er scharf. »Ich habe es satt, dass du meine Gutmütigkeit schamlos ausnutzt. Ich habe dich beschützt, habe dir Sachen erzählt, die ich eigentlich für mich behalten sollte – und ich habe mich immer bemüht, ehrlich zu sein. Aber das war ein einseitiges Vergnügen, denn du besitzt offenbar nicht einmal den Anstand, dich dafür zu revanchieren und mir eine Antwort zu geben, mit der ich etwas anfangen kann.«
    April starrte ihn bestürzt an. Mr Reece war immer so freundlich gewesen, so sanftmütig und verständnisvoll, aber mit diesem Gespräch hatte sie seine Geduld offenbar überstrapaziert. Und im Grunde konnte sie ihm keinen Vorwurf daraus machen: Seit sie ihn kannte, tischte sie ihm eine Halbwahrheit nach der anderen auf, verschleierte Tatsachen oder log ihm gar direkt ins Gesicht. Das hatte er nicht verdient, definitiv nicht.
    »Na gut«, sagte sie schließlich. »Was wollen Sie wissen? Fragen Sie mich alles, was Sie wissen wollen, und ich verspreche, ich werde Ihnen genau sagen, was ich weiß.«
    Reece musterte sie mit hochgezogenen Brauen.
    »Im Ernst, Mr Reece, ich werde Ihnen alles sagen. Allerdings kann ich nicht garantieren, dass Ihnen meine Antworten gefallen werden.«
    Reece schürzte die Lippen, dann nickte er.
    »Okay, fangen wir ganz von vorn an. Hat Gabriel Calvin Temple getötet?«
    »Nein«, antwortete April. »Er war die ganze Zeit mit mir zusammen. Bis etwa eine Viertelstunde, bevor ich Calvin gefunden habe.«
    »Aber beschwören kannst du es nicht.«
    April blickte in ihre Teetasse. »Ganz ehrlich? Nein.«
    »Hältst du Gabriel für fähig zu morden?«
    April sah ihn an.
    »Ich dachte, jeder sei grundsätzlich fähig, einen Mord zu begehen, je nach den Umständen. So heißt es doch immer, oder?«
    »Nein, April«, widersprach Reece ungeduldig. »Das stimmt nicht. Rein zufällig kenne ich mich damit ein klein wenig aus, deshalb möchte ich dich bitten, nicht so flapsig zu sein. Das war kein harmloses Gerangel vor der Frittenbude, auch wenn du es so hinstellst, sondern wir haben es mit einem eiskalten, hinterhältigen Mord zu tun, begangen von einem Menschen, der meiner bescheidenen Meinung nach komplett außer Rand und Band ist.«
    Er hielt inne.
    »Okay, nächste Frage. Wenn Gabriel es nicht war, wer dann?«, fuhr er fort.
    »Ich weiß es nicht. Ehrlich. Wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen sagen.«
    Reece schüttelte den Kopf. »Deine neue Offenheit scheint ja nicht gerade Früchte zu tragen, was?«
    »Tut mir leid, Mr Reece, aber ich weiß es einfach nicht.«
    »Na gut, vielleicht kannst du mir ja hierauf eine Antwort geben: Wieso du? Wieso wurde Calvin ausgerechnet am Zaun vor dem Haus deines Großvaters aufgehängt? Wenn es sich um eine aus dem Ruder gelaufene Handgreiflichkeit handeln würde, hätten wir ihn am Tatort gefunden, aber er wurde mit Absicht hierhergebracht. Wieso hat es jemand darauf angelegt, dass du ihn findest?«
    April schluckte. Wollte er allen Ernstes die

Weitere Kostenlose Bücher