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Der Schlangenmensch

Der Schlangenmensch

Titel: Der Schlangenmensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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dann zeigen können?“
    „Ja, bald“, flüsterte er. Sein Blick
schien in weite Ferne gerichtet. „Sehr bald. Vielleicht schon heute na... äh...
du möchtest, daß ich dir’s zeige?“
    Nach einem Moment der
Entrückung fand er in die Wirklichkeit zurück. Triefäugig sah er sie an.
    „Ja, sehr gern“, sagte Gaby.
    „Das heißt, du kommst wieder?“
    Gaby nickte, obwohl sie wußte:
Keine zehn Pferde würden sie nochmal hierherbringen.
    Schwer fiel seine Hand auf ihr
Knie.
    Gaby zuckte zusammen.
    „Ich würde“, sagte er, wobei er
sein Gesicht heranschob, „dein Taschengeld aufbessern. Viel Geld würde ich
dir...“
    Gaby sprang auf. Ekel stand in
ihrem Gesicht.
    „Jetzt muß ich gehen. Besten
Dank für das Interview! Es war sehr aufschlußreich. Bemühen Sie sich nicht. Ich
finde den Weg.“
    Ehe er ihr folgen konnte, lief
sie hinaus.
    Erst als sie ihr Rad auf die
Straße schob, beruhigte sich ihr hämmernder Puls.
    So einer ist das, dachte sie
angewidert. Ein guter Onkel, der jungen Mädchen Geld bietet, damit sie ihn zu
Hause besuchen. Auf den muß ich Papi aufmerksam machen — auch in der Hinsicht. Aber ich hatte Erfolg. Wie war das, als er sich beinahe verraten hat? Vielleicht schon heute na ... Heute nacht also! Die Jungs werden sich
freuen. Wenn das keine Information ist!
    Zufrieden radelte sie nach
Hause.

13. Beim streitbaren Otto
     
    Klößchen und Karl hatten sich
in der Stadt getroffen und waren dann nach Birnbach gestrampelt, wo sie
rechtzeitig eintrafen.
    Die Wallfahrtskirche thronte
auf einem Hügel und war schon von weitem zu sehen.
    „Eine Kirche leerzustehlen“,
meinte Klößchen, „kann doch nicht so schwer sein. Paßt denn da überhaupt jemand
auf?“
    „Hast du eine Ahnung“, wurde er
von Karl belehrt. „Früher mag das anders gewesen sein. Aber heutzutage wird
doch geklaut, was nicht angenagelt ist. Kunstdiebe machen auch vor Kirchen
nicht halt. Das hat sich rumgesprochen. Seitdem sind die nachts verriegelt und
verschlossen. Bilder und Figuren werden gesichert, ohne daß es allzusehr
auffällt. Mit unauffällig angebrachten Stahlketten oder gar Alarmanlagen. Und
wo sich besondere Kunstschätze ansammeln, ist auch immer ein waches Auge da.
Wer abstauben will, muß Profi sein. Und der streitbare Otto weiß schon, weshalb
er sich an Malowitz und Gerlich wendet.“
    „Bin gespannt auf den Grobian“,
sagte Klößchen.
    Karpfs Anwesen lag außerhalb
des Dorfes am Waldrand.
    Von weitem sah es aus wie ein
Forsthaus. Aus der Nähe genauso.
    Die Jungs lehnten ihre Räder an
eine knorrige Eiche und näherten sich dem Eingang, der in diesem Moment
aufgerissen wurde.
    „Na, ihr Granatendackel,
Spitzklicker und Hannebambel!“ scholl es ihnen entgegen. „Seid ihr Schietbüdel
endlich da, Kruzinallnfeuer!“

    „Sie solln wachsen wie a
zibolleth ( Zwiebel ) — mit dem Kopp in drerd (Erde)“, erwiderte
Karl grinsend.
    Er war stolz, daß er diese
uralte jiddische (jüdische ) Beleidigung kannte.
    Beinahe hätte er noch das
beliebte Schimpfwort: „Sie Schrumpfgermane!“ hinzugesetzt. Aber das verkniff
ersieh. Denn der streitbare Otto-Emanuel Karpf war auf den ersten Blick eine
arge Enttäuschung.
    Kaum größer als Klößchen stand
er in der Tür, krummbeinig, die Fäuste in die Hüften gestemmt. Er sah zäh aus
wie ein alter Gockel, war aber erst in mittleren Jahren. Er hatte ein
regelrecht bissiges Gesicht. Sicherlich war er der Typ, der keinen Streit
vermied. Sein Spitzname bestand wohl zu Recht.
    Die Jungs stellten sich vor.
    Karpf nickte. Seine Miene blieb
verschlossen wie ein Gefängnistor. Er gab keinem die Hand, machte kehrt und
trampelte voran in einen holzgetäfelten Wohnraum.
    Zwei Fenster wiesen zum
Waldessaum, drei in Richtung Dorf.
    Dazwischen lag graugrüne Weide.
    Karpf streckte den Arm aus. Der
Zeigefinger wies in unbestimmte Ferne.
    , „So weit ihr sehen könnt —
gehört alles mir. Das Dorf natürlich nicht. Aber das Land. Dafür müssen sie
Pacht zahlen, diese Affen, Biester, Dussel, Esel, Flaschen, Gartenzwerge,
Hampelmänner, Idioten, Jammerlappen, Kanaken, Lumpen, Miststücke,
Plattfußindianer, Rüpel, Schreckschrauben, Trottel, Waschlappen und Zicken.
Das, Jungs, waren die gebräuchlichsten deutschen Schimpfwörter — von A bis Z,
wie ihr vielleicht bemerkt habt.“
    „Beeindruckend!“
    Karl riß einen Notizblock aus
der Gesäßtasche und begann mit Notizen.
    „Doch eingangs eine Frage! Was,
Herr Karpf, ist eigentlich ein Schimpfwort?“
    „Jedes Wort

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