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Der Schlangenmensch

Der Schlangenmensch

Titel: Der Schlangenmensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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dachte
Tarzan. Sicherlich die Gräfin. Ob sie weiß, was ihr Alter für Umgang hat. Graf
und Einbrecher - pfui!
    Lächelnd zeigte er ihr seine
Strahlerzähne.
    „Guten Tag! Ich komme von der
Schülerzeitung, Frau Gräfin.“
    „Peter Carsten, nicht wahr?“
    „Der bin ich, Frau Gräfin.“
    „Ich bin die Hausdame.“
    Aber sie hielt es nicht für
nötig, ihren Namen zu nennen. Scheinbar hochmütig nahm sie den Kopf zurück. Sie
schritt zur anderen Seite der Halle und öffnete eine Tür.
    „Hubi, der Reporter ist da!
Erheb dich!“
    Sie winkte Tarzan heran — wie
man einem Bettler winkt, der ein Almosen (milde Gabe ) erhalten soll.
    „Danke, gnädige Frau!“
    Er trat an ihr vorbei in einen
hohen, als Arbeitszimmer möblierten Raum.
    Die gähnende Leere auf dem
riesigen Schreibtisch wurde nur von Zigarrenkiste, Aschenbecher, einer
Schreibunterlage und einem Schriftstück unterbrochen.
    Hubi, der Graf, schien blauen
Montag zu machen.
    Er hatte schlummernd auf der
Ledercouch gelegen und rollte sich soeben unter einer Kamelhaardecke hervor.
    „Äh, Sie kommen zwei Minuten zu
früh“, näselte er.
    „Tut mit leid. Meine Uhr
scheint wohl vorzugehen. Guten Tag, Graf Falkenstein.“
    „Tag!“
    Er stieg in die Reitstiefel,
die vor der Couch standen. Dabei rieb er sich mit einer Hand die Augen. Er
gähnte.

    Hubi, dachte Tarzan. Bubi würde
auch passen — als Spitzname.
    Der Graf war ein Gräflein:
nicht sonderlich groß und schmächtig. Er füllte seinen Pullover — Modell
Landedelmann — nicht aus. Und hatte einen lächerlich kleinen Kopf. Aus dem Frettchengesicht
standen die Oberzähne hervor. Da er sich grimmiger Miene befleißigte, wirkte er
wie ein vergrätzter Karnickelbock.
    „Melanie!“ rief er. „Meinen
Tee.“
    Die Stimme der Hausdame
antwortete von weit her, er käme gleich.
    „Sie müssen entschuldigen“, sagte
der Graf. „Ich hatte einen arbeitsreichen Vormittag. Und da wären wir schon
mittendrin im Thema. Keine Vorstellung macht sich der gewöhnlich Sterbliche,
welche herkulische Kraftanstrengung es heutzutage erfordert, das Erbe der Väter
— unser gräfliches Anwesen, meine ich - zu erhalten. Die Kosten sind...“
    Er stockte. „Warum schreiben
Sie nicht mit?“
    „Ich habe ein gutes
Gedächtnis.“ Tarzan tippte an seine braunen Locken. „Notizen brauche ich erst,
wenn mir die Fakten nicht geläufig sind.“
    „Aber daß dann nicht wieder so
ein Kohl verzapft wird, bei dem kein Wort stimmt“, mäkelte der Graf.
    „Sie dürfen versichert sein,
daß ich keinen Kohl verzapfen werde.“
    „...gigantisch“, vollendete
Falkenstein.
    „Wie bitte?“
    „Die Kosten sind gigantisch,
sagte ich. Wußte ich doch, daß Sie nicht mitkommen.“
    „Doch, doch! Und gleich zur
ersten Frage: Woher kommen die Mittel?“
    „Ländereien sind verpachtet,
aber... äh... das allein würde nicht genügen. Hinter Neuettering habe ich eine
Forellenzucht angefangen. Leider wurde verseuchtes Wasser in die Teiche
geleitet und... äh... es war ein Fehlschlag. Die Hühnerfarm, die ich außerdem
betreibe, ist auch nicht sehr ertragreich. Man könnte meinen, das Frühstücksei
sei in Verruf gekommen. Oder sagen wir, es gibt zu viele Hennen.“
    „Also wird das Schloß durch den
Erlös landwirtschaftlicher Produkte erhalten?“
    „So könnte man sagen.“
    Hausdame Melanie brachte den
Tee.
    Tarzan hatte gehofft, daß auch
ihm eine Tasse angeboten werde. Denn nach der flotten Fahrt war er durstig.
    Doch die Sparmaßnahmen des
gräflichen Haushalts schlossen solche unerhörten Verschwendungen aus.
    Hubert von Falkenstein setzte
sich an den Schreibtisch, wo Melanie das Tablett mit Kanne, Tasse, Kandiszucker
und Sahne abgestellt hatte.
    Der Graf klopfte gegen seine
Karnickelzähne und starrte ärgerlich auf das Schreiben, das auf der Unterlage
lag.
    Es schien seinen Teegenuß zu
stören und wurde hastig zur Seite geschoben. Dann griff er abermals hin. Seine
weißliche Hand drehte die Rückseite des Schreibens nach oben.
    Wohl keine gute Nachricht,
Hubi? Tarzan unterdrückte ein Grinsen. Vielleicht war ihm wieder was
fehlgeschlagen. Wahrscheinlich sind seine Frühstückseier krumm.
    Tarzan fragte nach den
Falkensteinschen Vorfahren, nach dem Schicksal des Schlosses im Laufe der
Geschichte und in den Wirren der Kriege, nach dem Alltag, wie er sich hier
abspiele, und nach Plänen für die Zukunft.
    Einiges, das der Graf erzählte,
war recht interessant. Aber nirgendwo konnte Tarzan Hinweise auf einen Kontakt

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