Der schlaue Pate
sehr dünn. Karras stellte sich als Leiter der Vermisstenstelle des BKA vor und nickte zu der Frau hinüber.
»Das ist Dr. Trudi Bläsius, eine Psychologin, die uns bei einer Ermittlung unterstützt. Wir müssen dringend mit Ihrem Mandanten sprechen.«
»Warum?«, fragte Andreas.
»Wir ermitteln seit geraumer Zeit in der Vermisstensache Jana Müller, der Frau aus Köthen, die auf einem der drei Fotos zu erkennen ist. Gestern haben wir uns mit den slowakischen Kollegen in Verbindung gesetzt und erfahren, dass auch die Frau auf dem zweiten Foto, eine gewisse Maria Kovacs aus Bratislava, vermisst wird. Ihr Mandant findet, wenn seine Aussage der Wahrheit entspricht, in seinem Safe Fotos von sich mit drei Frauen und lässt sich mit diesen Fotos erpressen. Zwei der drei Frauen werden vermisst, die dritte wurde ermordet. Meinen Sie nicht, dass wir über dieses einzigartige Zusammentreffen mit Ihrem Mandanten reden müssen?«
Andreas und Spohr starrten sich fassungslos an.
»Haben Sie bemerkt«, warf Dr. Bläsius ein, »dass es in den sehr attraktiven Gesichtern aller drei Frauen eine gewisse Ähnlichkeit gibt?«
»Mit der Frau aus der Slowakei«, fuhr Karras fort, »haben wir insgesamt zwölf Vermisstensachen, über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren, die letzte Frau wurde im letzten November als vermisst gemeldet. Und außerdem drei unaufgeklärte Mordfälle, vor achtundzwanzig, siebenundzwanzig und fünfundzwanzig Jahren. Alles Frauen mit verwandtem Gesichtstypus.«
Bei Andreas und Spohr waren die Kinnladen heruntergeklappt.
»Wir konnten uns bisher nur aus der Berichterstattung der Medien ein Bild von dem machen«, sagte Dr. Bläsius, »was Ihr Mandant über seine Geschichte mit der Ermordeten ausgesagt hat. Wenn diese Informationen richtig sind, ereignete sich der erste Mord wenige Wochen, nachdem die Ermordete damals mit Ihrem Mandanten Schluss gemacht hat. Und die erste Frau könnte etwa zu dem Zeitpunkt als vermisst gemeldet worden sein, als die Ermordete zum zweiten Mal schwanger war.«
Spohr ließ sich auf seinen Rollkoffer sinken und atmete schwer.
Andreas war bleich geworden. »Sie … Sie glauben, er … er ist …«, stotterte er.
»Wir glauben gar nichts«, sagte der Kriminaldirektor. »Bis wir mit ihm geredet haben.«
29.
Baginski hatte noch in dem Sprinter, dem Karras und Bläsius in einem neuen Opel Ampera, offenbar einem Dienstwagen, hinaus aufs Gut folgten, entschieden und nach Andreas’ Eindruck glaubwürdig abgestritten, irgendetwas mit diesen Vermisstensachen und Mordfällen zu tun zu haben.
»Erst will mir jemand Ellens Ermordung anhängen, und jetzt soll ich plötzlich ein Serienmörder sein. Das ist doch alles der reinste Wahnsinn!«
Nachdem der eilig herbeitelefonierte Professor Rind eingetroffen war, hatten sich auch Prinz und Desirée um den Angeklagten und seine Verteidiger versammelt; der Kriminaldirektor und die Psychologin saßen ihnen gegenüber. Ingrid saß im Café Alex am Friedrichsplatz mit der Frau von Jürgen Kaiser, die sie nach der Aussetzung der Verhandlung angesprochen hatte, beim Kaffee, Ollie checkte in seiner Bastelbude im Keller des früheren Gesindehauses, was die übrigen Kaisers und der Exmann taten. Beide hatten noch keine Ahnung von der neuen Entwicklung – die Desirée sogar noch mehr schockierte als vorhin Andreas und Spohr.
Sie hatte ja bereits festgestellt, dass Jana Müller vermisst wurde, aber außer Ingrid niemandem davon erzählt, nachdem Ingrid das mit ihrer Lebenserfahrung, Männer würden immer erst etwas merken, wenn ihre Frau sich von ihnen trennen will, beiseitegewischt hatte. Sie blickte zu ihrem Vater, der sich wie üblich nicht das Geringste anmerken ließ. Sie musterte die beiden Neulinge, die sich aufmerksam im Salon des Herrenhauses umsahen und angemessen beeindruckt zeigten.
Das Gesicht des Mannes gefiel ihr gar nicht: ein Terrier, der nicht wieder losließ. Die kleine Frau schien irgendwie in seinem Bann zu stehen. Desirée betrachtete Baginski, der offenbar Mühe hatte, seine Empörung über diesen unglaublichen Verdacht aus dem Nichts nicht herauszuschreien, aber sonst kein bisschen beunruhigt wirkte. Prinz ließ ihn keine Sekunde aus den Augen.
Kriminaldirektor Karras und Dr. Bläsius waren hier lediglich zu Gast und überließen höflich den Gastgebern den Vortritt. Die Frau hatte einen dicken Aktenkoffer hereingetragen, den der Mann ihr nicht abnahm. Karras’ Höflichkeit wirkte gezwungen.
»Ich sollte
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