Der schlaue Pate
»Wenn seine eben getätigte Aussage mit den Akten übereinstimmt, ist das geklärt.«
»Weiter haben wir zwei verschwundene Frauen und einen weiteren Mord, wegen dem Ihr Mandant unter Anklage steht. Fotos zeigen Ihren Mandanten mit diesen drei Frauen. Er hat selbst ausgesagt, deswegen auf eine Erpressung eingegangen zu sein. Und alle sechs sind von ähnlichem Gesichtstypus.«
Karras hatte immer eindringlicher geredet. Überzeugend war er schon, fand Desirée.
»Halten Sie eine solche Anhäufung von Zufällen auch nur im Entferntesten für möglich?«
Andreas wedelte nachlässig mit dem Zigarillo. »Er hat erklärt, dass er die beiden anderen aus dem Internet kennt. Wir kennen seine Geschichte mit Ellen Kaiser. Natürlich sucht er nach Ähnlichkeiten. Falls es Ihren Serienmörder tatsächlich gibt, hat er offenbar den gleichen Geschmack. So was soll’s geben.«
»Das gibt es tatsächlich«, warf Professor Rind ein. »Manche Menschen sind bei den Äußerlichkeiten gar nicht auf bestimmte Typen festgelegt, sondern eher auf, nun, hm, bestimmte Charaktereigenschaften, andere sehr stark. Nach allen Erkenntnissen ist das gerade bei Serienmördern außerordentlich ausgeprägt, nicht wahr, Frau Dr. Bläsius? Herr Baginski müsste nach seiner ganzen Geschichte doch nach Blondinen suchen oder zumindest nach, hm, Blondierten, meinen Sie nicht?«
»Es gibt Ausnahmen«, sagte die Psychologin fast kleinlaut.
Professor Rind funkelte sie einen Moment wütend an. Dann lehnte er sich zurück, zündete die ausgegangene Pfeife wieder an, verbarg sich hinter Qualm.
»Ja, natürlich«, meinte er abschätzig. »Ausnahmen gibt es immer.«
Desirée hatte seinen plötzlich beinahe ausbrechenden, dann schnell unterdrückten Zorn schon oft erlebt. Vermutlich war dieser so freundliche, sanfte Mann eigentlich ein Choleriker, was er mühsam unter Kontrolle hielt.
Baginski lächelte. »Meine Frau ist übrigens dunkelblond und hat auch diese äußere Gesichtsform mit dem eleganten Schwung im Unterkiefer.«
Karras schien ähnliche Anstrengungen aufbieten zu müssen, um nicht aus Baginski herauszuprügeln, was er für die Wahrheit hielt.
»Na schön«, sagte er ruhig, wieder mit dem künstlichen Lächeln. »Trudi, weiter im Text.«
Die Psychologin holte sehr beflissen weitere Akten hervor. »Der Mord in Celle fand in einem anderen Bundesland statt, über zwei Jahre später und außerdem im Sommer, und ist damals gar nicht mit dem Karnevalsmörder in Verbindung gebracht worden. Erst Matthias hat die Verbindung entdeckt.«
Karras nickte selbstzufrieden. Die haben sich nicht erst beruflich kennengelernt, dachte Desirée. Die kennen sich vielleicht schon seit Jahrzehnten.
»So wie er auch die Verbindung zu den und zwischen den Vermisstensachen entdeckt hat, bei denen von den örtlichen Polizeibehörden gar nicht weiter ermittelt wurde, weil jedes Mal Briefe aus dem Ausland kamen, in denen die vermissten Frauen schrieben, sie wollten mit einem neuen Mann in einem anderen Land ein neues Leben anfangen. Erwachsene Personen können ihren Aufenthaltsort frei bestimmen, nicht einmal Ehegatten oder Eltern dürfen erfahren, wo sie sind, wenn sie das nicht wollen. Das ist die Erste, von der wir wissen: Stefanie Blatter, im Dezember vor fünfzehn Jahren als vermisst gemeldet von ihrer Mutter in Göhren auf Rügen, Mecklenburg-Vorpommern, damals dreißig Jahre alt, ledig, keine Kinder, Ärztin im praktischen Jahr in einem Krankenhaus in Greifswald.«
Sie gab Baginski das Foto, der es musterte, den Kopf schüttelte.
»Waren Sie im Dezember vor fünfzehn Jahren auf Rügen oder in Greifswald?«, fragte Karras.
»Nicht nur dann nicht, ich war niemals auf Rügen oder in Greifswald.«
Karras zündete die nächste Zigarette an der Kippe an.
»Sie sind überhaupt nie an der Ostsee gewesen?« Das schien er nicht fassen zu können.
»Doch, oft. Die Eltern meiner Frau sind nach ihrer Pensionierung nach Eutin gezogen, das ist nicht weit weg. Die Küste dort kenne ich gut, von Travemünde über Timmendorfer Strand, Scharbeutz und so weiter, bis hoch nach Grömitz. Aber nicht den Osten.«
»Eutin«, sagte Karras nachdenklich. »Na gut, Trudi, weiter.«
»August vor dreizehn Jahren, Sabine Wegener, als vermisst gemeldet von ihrem Mann in Sömmerda, Thüringen, damals sechsunddreißig Jahre alt, arbeitslose Elektroingenieurin, ein Sohn.«
Foto, Kopfschütteln.
Das gleiche Spiel: »Waren Sie im August vor dreizehn Jahren in Sömmerda?«
»Ich war
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