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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Schnell
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breit.
    Eine Tür?
    Miriam Bosch tastete sich an der Wand entlang auf den Strich zu. Dieser Raum hier schien quadratisch zu sein. Sie hatte den Eindruck, sich in einem mittelalterlichen Verlies zu befinden.
    Holz über dem Strich. Eindeutig eine Tür. Wo war die Klinke?
    Da. Sie zögerte. Sie wollte keine Hoffnung zulassen. Aus irgendeinem Grund hatte er sie nicht erwürgt wie die anderen, sondern in irgendeinen Kerker gesperrt, um sie verdursten und verhungern zu lassen.
    Sie drückte ganz langsam. Die Tür ließ sich öffnen, und Miriam Bosch blickte in den Vollmond. Überwältigt vor Glück sank sie auf die Knie.
    Und betete, zum ersten Mal seit ihrem elften Lebensjahr, zu einem Gott, an den sie nicht glaubte.
    Aber wo war sie? Es schien nirgends eine Beleuchtung zu geben außer dem Mondschein. Der Boden war felsig. Sie war in einem quadratischen Turm gewesen, gegenüber befand sich ein zweiter Turm, wie eine in den Fels gebaute Burg. Vorsichtig schlich sie um den Turm herum.
    Und blickte, tief unter sich, auf ein schlafendes Dorf ohne Straßenlampen. In keinem Haus brannte Licht. Ein Geisterdorf?
    Aber da drüben war im Mondschein eine schmale Straße zu erkennen, die in Serpentinen in das Dorf hinabführte.
    Miriam Bosch lief die Straße runter. Als sie die Häuser erreichte, begann sie um Hilfe zu schreien. Es dauerte eine Weile, bis irgendwo ein Licht anging. Eine Tür wurde geöffnet, und eine alte Frau im Nachthemd sagte erschrocken etwas zu ihr, was sie nicht verstand.

28.
    Als Andreas und Spohr am Dienstagmorgen kurz vor neun den Gerichtssaal betraten, nahm der Justizbeamte am Eingang sie beiseite.
    »Gestern hat ein Kriminaldirektor vom   BKA   aus Wiesbaden namens Matthias Karras telefonisch zwei Karten vorbestellt.«
    » BKA ?«, fragte Andreas. »Hat er gesagt, weshalb?«
    »Nein. Die andere Karte war für eine Frau.«
    »Wo sitzen sie?«
    Der Justizbeamte linste vorsichtig in den Zuschauerraum, dann deutete er auf einen Mann und eine Frau in der ersten Reihe, neben Ellen Kaisers älterem Bruder und seiner Frau. Sie unterhielten sich gerade und merkten nicht, dass sie beobachtet wurden.
    Andreas und Spohr betraten den Gerichtssaal, als wüssten sie von nichts, stapelten ihre Akten, gingen hinüber und schüttelten Hände mit der Anklage.
    »Hat man Ihnen auch gesagt, dass zwei Leute vom   BKA   da sind?«
    Melanie Goldmann nickte, ohne zu den beiden zu blicken. »Ich habe schon bei meinem Chef in Frankfurt angerufen. Er hat auch keine Ahnung, was das soll, wollte aber gleich in Wiesbaden anrufen. Wenn er bis neun nicht zurückruft, muss ich das Handy ausmachen.«
    »Hat wahrscheinlich mit dieser Zeitungsente zu tun, die Sie da lanciert haben«, meinte Krieg.
    »Wir? Wir haben nichts lanciert. Das habe ich der Vorsitzenden schon versichert, die mich am Samstag ziemlich aufgebracht angerufen hat. Wenn ich so etwas in die Finger bekommen hätte, hätte ich entsprechende Beweisanträge gestellt. Kein Gericht kann es leiden, wenn es auf etwas Bezug nehmen muss, was in der Zeitung steht. Wahrscheinlich wird es diese Sachen jetzt nicht als bedeutsam erachten und gar nicht in die Hauptverhandlung einführen.«
    Das war natürlich Blödsinn, wie Andreas ganz genau wusste. Wenn der Angeklagte in der Verhandlung aussagte, er sei mit diesen Fotos und diesem Brief erpresst worden und habe diesen Vertrag unterschrieben, gab es keine Möglichkeit, das nicht in die Beweisaufnahme zu nehmen. Und wenn Fotos, Brief und Vertrag vorlagen, mussten sie als Beweismittel eingeführt werden. Volker hatte alles der Polizei übergeben, samt dem Umschlag ohne Absender, und gemauert, als sie fragten, wer hinter seinen »gut informierten Kreisen« steckte. Vermutlich hatte die Anklage alles dabei, so wie Andreas zur Sicherheit die Zeitung. Er warf einen Blick in den Zuschauerraum. Desirée und Ingrid saßen heute weiter hinten, Volker war zum Glück weggeblieben, um nicht sofort als Zeuge aufgerufen werden zu können.
    Wenn andererseits der Angeklagte selbst über seine Verteidigung diese Urkunden und Augenscheinsobjekte dem Gericht vorlegte, konnten die Fotos gar nichts mit dem Fall zu tun haben und die Urkunden nachträglich gefälscht sein. Für ihre Richtigkeit und Bedeutung hätte man nur sein Wort gehabt. Das Gericht hätte die Möglichkeit gehabt, sie als nicht zur Sache gehörig zu erachten und somit nicht in die Verhandlung einzuführen. Das war das Geniale an Prinz’ Einfall, sie als anonyme Post an einen

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