Der schlaue Pate
Ellen Kaiser?«
»Ähnlichkeit?« Er runzelte die Stirn, musterte das Bild. »So weit würde ich nicht gehen. Die äußere Gesichtsform ist ähnlich, dieser elegante Schwung im Unterkiefer, kein längliches Gesicht. Große Augen, volle Lippen. Die Gesichtszüge scheinen mir aber doch sehr verschieden zu sein.« Er gab ihr das Bild zurück, lächelte. »Die äußere Gesichtsform mit dem Schwung im Unterkiefer haben Sie übrigens auch, aber sonst sehen Sie ihr überhaupt nicht ähnlich.«
Dr. Bläsius errötete leicht, blickte zu Karras, ließ das Foto herumgehen. Desirée fand Baginskis Eindruck bestätigt: Wirklich ähnlich war es nicht.
»Wo waren Sie vor achtundzwanzig Jahren während des Karnevals?«, fragte Karras.
Baginski sah ihn verblüfft an. »Beim Karneval? Damals war ich noch auf dem Internat und wohnte bei meinen Eltern in Dortmund. Ich erinnere mich an wüste Faschingsfeten auf dem Internat und an viele Dortmunder Karnevalsumzüge. Ob ich in diesem Jahr auf dem Internat geblieben bin oder nach Hause fuhr, kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen.«
»Sie waren nicht in Düsseldorf?«
»In dem Jahr? Das kann ich mir kaum vorstellen.«
»Aber Sie waren mal auf dem Düsseldorfer Karneval?«
»Aber sicher. Ich habe in Düsseldorf studiert, gleich nach der Zeit beim Bund, später auch mein Referendariat dort gemacht. Wie Sie sich denken können, haben wir jedes Jahr wild gefeiert. Meine ersten drei Jahre als Staatsanwalt verbrachte ich in Wiesbaden, da sind wir rüber nach Mainz gefahren. Hier im protestantischen Kassel ist das mit dem Karneval dann irgendwie eingeschlafen.«
»Wie ist es mit Köln? Waren Sie je dort?«
Baginski betrachtete ihn herablassend. »Natürlich war ich zu verschiedenen Gelegenheiten in Köln, wer nicht? Aber wer je in Düsseldorf gelebt hat, sieht keinerlei Veranlassung, zum Karneval nach Köln zu fahren.«
Karras musterte ihn auf seine verbissene Art. »Sie waren nicht vor siebenundzwanzig Jahren zum Karneval in Köln?«
»Garantiert nicht. Das war kurz vor meinem Abitur. Ich bin ziemlich sicher, in dem Jahr auf dem Internat geblieben zu sein. Falls doch nicht, war ich in Dortmund.«
Karras ließ frustriert Luft ab und blickte zu Dr. Bläsius, die zwei weitere Fotos hervorholte.
»Düsseldorf vor achtundzwanzig Jahren. Pia Herzog, neunzehn Jahre alt, Auszubildende bei der IHK , an Weiberfastnacht verschwunden, am Aschermittwoch erwürgt aufgefunden. Köln vor siebenundzwanzig Jahren. Ruth Schmitz, dreiundzwanzig Jahre alt, technische Zeichnerin bei Ford, an Weiberfastnacht verschwunden, am Aschermittwoch erwürgt aufgefunden.«
Baginski nickte. »Der Karnevalskiller. Ich erinnere mich. Kam das nicht sogar im Fernsehen? Jedenfalls, als ich in den Osterferien zu Hause in Dortmund war, waren die Zeitungen nach dem zweiten Mord noch voll davon.« Er studierte die Fotos. »Diese hier hat tatsächlich Ähnlichkeit mit Ellen, nur dass sie fast schwarze Haare und grüne Augen hat. Die andere ist zwar blond, aber das sieht mir gefärbt aus, sonst ist es wieder nur die äußere Gesichtsform. Ein bisschen dick, oder?«
Er gab die Fotos zurück, Dr. Bläsius ließ sie herumgehen. Ruth Schmitz war eine vergleichbare Schönheit dunklen Typs, die auffällig blondierte Pia Herzog wirkte etwas ordinär und schien tatsächlich ziemlich pummelig zu sein.
Karras beugte sich vor. »Sie kennen diese Frauen nicht?«
Baginski schüttelte den Kopf. »Vermutlich werde ich damals im Fernsehen oder in der Zeitung ihre Fotos gesehen haben, die sind mir aber nicht in Erinnerung geblieben. Die Frauen selbst habe ich mit Sicherheit nie im Leben gesehen.«
»Sie haben Ruth Schmitz, Pia Herzog und Aisha Makkawi nicht ermordet?«
»Das kann ich beschwören.« Baginski lehnte sich entspannt zurück.
Karras und Dr. Bläsius tauschten einen Blick. Dr. Bläsius hob die Schultern.
Andreas, der während der ganzen Zeit zurückgelehnt in seinem Sessel gelümmelt und an einem Zigarillo gepafft hatte, stieß Rauch in die Höhe.
»Haben Sie irgendwelche Hinweise auf etwas Gegenteiliges?«
Die Verbissenheit verwandelte sich in kalte Wut. Dr. Bläsius wirkte plötzlich besorgt. Die haben, dachte Desirée, irgendeine Art von Beziehung, seit Langem.
»Nein, haben wir nicht«, stieß Karras hervor. »Was wir bis jetzt haben, sind drei alte, ungeklärte Morde, beim letzten war Ihr Mandant erwiesenermaßen vor Ort und wurde in der Sache vernommen.«
Andreas zuckte die Achseln.
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