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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Schnell
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leise zu weinen.
    »Augenblick.« Herbert Viehmann zögerte. »Das macht doch nur Sinn, wenn …«
    Prinz nickte. »Wenn der Leitende Oberstaatsanwalt zu den wichtigen Leuten gehört, von denen Igor sagte, der schlaue Pate habe sie bereits in der Tasche. Bloße Rache gegen einen Staatsanwalt, der seinen Job macht, scheidet aus. Aber für Verräter haben die Russen etwas, was sie selbst ›die höchste Form der Bestrafung‹ nennen. Normalerweise ein Genickschuss, bei dem die Kugel beim Austritt das Gesicht zerfetzt.« Prinz schüttelte den Kopf. »Aber die Ermordung eines Leitenden Oberstaatsanwalts würde riesige Ermittlungen auslösen. Also hat der schlaue Pate sich etwas noch Gemeineres einfallen lassen. Er ließ die Frau, die Baginski wohl am meisten auf dieser Welt liebt, grausam ermorden und schob ihm selbst die Tat in die Schuhe.«
    Andreas ließ etwas Zeit vergehen, bevor er leise sagte: »Wenn wir ihn dazu bringen können, zuzugeben, dass er sich bestechen ließ, können wir auch seine Unschuld beweisen.«

11.
    Herbert Viehmann stand auf und ging hin und her, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und schoss seine nächsten Fragen ab.
    »Er selbst bestreitet das bis jetzt?«
    »Ich habe ihn noch nicht gefragt«, antwortete Andreas.
    »Wieso nicht?«
    »Weil ich noch nicht dazu gekommen bin.«
    »Was soll das denn heißen, du hattest doch –«
    »Das Gespräch im Präsidium dauerte vielleicht zwanzig Minuten, bis Hinten- SS   aufkreuzte, und da hat er nur –«
    »Ich meine, seither.«
    Andreas atmete hörbar aus. »Am besten setzt du dich wieder.«
    Sein Vater hielt mitten im Schritt inne, wandte sich langsam zu ihm um. Nachdem die beiden einen langen Blick getauscht hatten, holte er die Hände hinterm Rücken hervor, schritt bedächtig zu seinem Stuhl und sah seinen Sohn auffordernd an.
    »In dieser Einzelzelle im Präsidium«, berichtete Andreas mit gesenktem Kopf, »hatte er bis vielleicht halb fünf Uhr morgens Ruhe. Dann wurde es da zu eng. Das übliche betrunkene und randalierende Silvesterpublikum am Neujahrsmorgen wurde eingeliefert. Es gibt ein paar Einzelzellen und zwei größere für Gruppen, die bald überfüllt waren. Drei Säufer wurden zu ihm in die Zelle gesperrt, erkannten sofort, dass er ein leichtes Opfer war, und pöbelten ihn an. Die Gewahrsamszellen haben alle Kameras. Die Beamten vor den Monitoren im Bereitschaftsschichtraum konnten fünfmal gerade noch verhindern, dass er zusammengeschlagen wird. Gegen sechs erreichte einer der Beamten endlich Hinten- SS , die wie zu erwarten bei ihrer Linie blieb, er dürfe nicht anders behandelt werden als irgendein anderer Beschuldigter. Also beantragte Hinten- SS   eilig einen Haftbefehl, den der Bereitschaftsrichter unterschrieb, und er wurde in die U-Haft-Abteilung der Justizvollzugsanstalt Kassel-Wehlheiden verfrachtet. Als ich gegen zehn im Präsidium erschien und erfuhr, was mit ihm geschehen war, konnte ich wegen des Neujahrstages nichts unternehmen. Die Untersuchungshäftlinge werden in Wehlheiden nicht immer konsequent von den Verurteilten getrennt, überhaupt gibt es dauernd negative Schlagzeilen wegen Personalmangel. Es erkannte ihn jemand, dessen Verurteilung er vor Jahren mal erreicht hatte. Ergebnis sind eine Nierenquetschung und mehrere Blutergüsse. Die Nacht zum Montag verbringt er auf der Krankenstation, und während ich am Montagmorgen noch vor dem Ermittlungsrichter stehe, greift ihn dort ein Mithäftling an, gegen den er irgendwann mal einen Haftbefehl erwirkt hat. Diesmal trägt er eine Netzhautabschürfung davon, die sofort operiert werden musste, sollte er nicht auf diesem Auge erblinden.«
    »Erschütternd«, hauchte Herbert Viehmann.
    »Die   JVA   entschied, ihn ins Elisabeth-Krankenhaus bringen zu lassen, mit Posten vor der Tür.«
    Das Elisabeth-Krankenhaus auf dem Weinberg bestand aus zusammenhängenden Gebäuden mit nur zwei Eingängen und war wesentlich überschaubarer als das Klinikum drüben auf dem Möncheberg, das mit über einem Dutzend Gebäuden praktisch eine Stadt für sich war. Außerdem lagen die Gerichte und die Staatsanwaltschaft beinahe gegenüber.
    »Weiteres Trara gab es, als die Ärzte natürlich von der Anwesenheit bewaffneter Posten in ihrem   OP -Saal nichts wissen wollten, aber auch das konnte ich geradebiegen. Er wurde mehrere Stunden operiert. Die Prognose ist günstig, wie ich am nächsten Morgen erfuhr, aber gestern war er noch nicht ansprechbar. Ich habe den Tag damit verbracht,

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