Der schlaue Pate
einen Antrag auf eine elektronische Fußfessel zu stellen, den kein Richter ablehnen kann.«
Herbert Viehmann schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Das kann keiner ablehnen! Solange er nicht rechtskräftig verurteilt ist, können sie einen Leitenden Oberstaatsanwalt unmöglich mit gewöhnlichen Straftätern zusammensperren, wenn sie nicht in der Lage sind, seine Sicherheit zu gewährleisten.«
»Ja«, stimmte Andreas zu. »Der Arzt sagte mir, bei positiver Entwicklung könne er vielleicht schon nächste Woche nach Hause. Länger als eine weitere Woche können sie ihn unmöglich behalten, weil sie selber knapp mit Betten sind. Zu dieser Jahreszeit grassieren alle möglichen Viren. Außerdem gehen die bewaffneten Posten dort allen auf die Nerven. Ich hoffe, bis dahin ist der Antrag durch.«
»Ich werde diese Richterin anrufen.« Der ehemalige Minister ließ den Kopf hängen. »Was ist das wieder für eine Blamage für die Justiz.«
»Du könntest durchblicken lassen, dass wir bereit wären, den Vorfall nicht publik zu machen, wenn sie positiv und zügig entscheidet. Die Entscheidung selbst müsste ebenfalls nicht an die Öffentlichkeit dringen.«
Sein Vater nickte.
»Wir wollen ihn nachher im Krankenhaus besuchen«, sagte Prinz ungerührt, der für die Justiz kein Mitleid übrighatte. »Vielleicht kann er schon Fragen beantworten.«
Herbert Viehmann sah auf. »Da würde ich mir an eurer Stelle Zeit lassen.« Er drehte den Kopf zu seinem Sohn. »Er weiß doch, dass er selbst bei einem Freispruch ruiniert wäre, wenn er Bestechlichkeit zugibt. Das ist auch eine Straftat, für die es bei schweren Fällen bis zu fünf Jahre geben kann. Bis der Prozess anfängt, wird es sowieso Monate dauern.«
Björn Spohr setzte sein schräges Lächeln auf. »Sie meinen, wenn die Fakten klar sind, könnten wir einen Weg finden, zu einem Freispruch zu kommen, ohne eine Bestechung einräumen zu müssen?«
»Zum einen.« Der ehemalige Minister lehnte sich zurück; sein Lächeln fiel allerdings ziemlich schwach aus. »Nur nichts überstürzen vor Gericht. Zum anderen braucht ihr für die Verteidigung sowieso die ganze Geschichte von ihm und dieser Frau. Und die, scheint mir, wird er nach seinem Verlust sowieso erzählen wollen. Rind«, sagte er nachdenklich. »Als Gutachter.«
»Professor Rind ist jetzt seit über drei Jahren emeritiert«, wandte Andreas ein. »Uns hat er damals sozusagen privat geholfen.«
»Und das Mädchen«, fuhr sein Vater fort, ohne darauf einzugehen. »Entschuldigung, ich meine natürlich, äh, Desirée. Desirée und Rind. Das nette, hübsche, wissbegierige Mädchen und der väterliche Professor. Ihr wird er seine Geschichte gern erzählen, Rind kann unauffällig die Richtung vorgeben, und wenn die Zeit reif ist, dann bringt Rind ihn dazu, auch die Bestechung zu gestehen. Ob es dann notwendig ist, das zu verwenden, oder nicht, könnt ihr später gemeinsam mit ihm entscheiden.«
Jetzt war das Lächeln nicht mehr schwach.
Andreas glotzte seinen Vater an. »Du hättest nicht in die Politik gehen sollen«, ächzte er bewundernd. »Mit solchen Tricks wärst du ein Staranwalt geworden.«
Der ehemalige Minister betrachtete ihn generös. »Solche Tricks«, meinte er, »lernt man nur in der Politik.«
Andreas bestand darauf, dass sie sich den Tatort ansehen sollten. Prinz fand das überflüssig, zuckte aber die Achseln. Der Prozess war Andreas’ Show. Desirée stieg zu ihm in den Porsche, Spohr zu Prinz und Ollie in den Bentley.
Die schmale Zufahrt hinter einer RegioTram-Haltestelle war gar nicht leicht zu finden, der Weg noch immer matschig. Zwei uniformierte Polizisten der Polizeistation Melsungen warteten bereits, um die Tür zu entsiegeln und hinterher wieder zu versiegeln. Es gab nur wenige Gärten, die sich neben der Bahnlinie einen steilen Hang hochzogen, bis die Grundstücke der ersten Häuser begannen. Sonst sah alles aus wie in jedem anderen Schrebergarten, nur dass dieser beinahe verwildert wirkte und nach wie vor mit Polizeiband abgesperrt war. Bevor sie den Garten betraten, sahen Prinz und Ollie sich aufmerksam nach Verfolgern um, wie schon auf der ganzen Fahrt, bemerkten aber nichts. Prinz war sicher, dass der schlaue Pate wissen wollte, was sie unternahmen. Die Laube bestand nicht aus Holz, sondern aus Mauerwerk. Abgesperrt mit einem simplen Vorhängeschloss.
»Das könnte sogar ich knacken«, meinte Ollie, »ohne Spuren zu hinterlassen.«
»Sie hatten die Frau dabei, und die hatte den
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