Der schlaue Pate
Schlüssel«, sagte Prinz.
»Stimmt auch wieder.« Ollie wirkte gelassen.
Prinz betrachtete ihn kurz. Dann sah er sich in dem Garten um und fasste die Laube ins Auge. Es konnte nicht schwer gewesen sein, den beiden, die völlig mit sich selbst beschäftigt waren, hierher zu folgen und sie dann durch die Fenster zu beobachten. Die Täter hätten bloß mit ihrem Wagen an der RegioTram-Haltestelle warten müssen, die etwa hundert Meter entfernt war, um sich dann zu Fuß anzuschleichen.
Drinnen waren die Spurentafeln, die Tatwaffe, die Flaschen und die Tassen sowie die Kleider entfernt worden, als Beweisstücke im Labor, sonst sah alles noch genauso aus, wie die Ermittler es vorgefunden hatten. Ein Kreideumriss am Boden markierte, wo die Leiche gelegen hatte. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, das Blut wegzuwaschen. Es stank. Und es war kalt. Der kleine Ofen sah nicht so aus, als könnte er viel gegen die Kälte ausrichten.
Ollie fotografierte. Desirée, wieder ganz weiß im Gesicht, sah sich um. Selbst Prinz fühlte sich beklommen, und Andreas hustete sich einen Frosch aus dem Hals.
Draußen rauschte geräuschvoll ein Zug vorbei, was die ganze Laube zum Zittern brachte.
Es gab einen klobigen braunen Schrank, Gelsenkirchener Barock, mit einer noch offenen Schublade, in der das Messer gewesen war. Außerdem vier Stühle um einen wackeligen Tisch. In einer Ecke stand ein schmales Sofa, mit Plastik überzogen.
Desirée sagte, beinahe erschüttert: »Und hier haben sie Liebe gemacht? Auf diesem unbequemen Ding? Hätten sie nicht in ein Hotel gehen können?«
»Das wird eine der Fragen sein«, sagte Prinz, »die du ihm stellen wirst, wenn er wieder zu Hause ist und euch seine Geschichte erzählt.«
»Sollen wir uns draußen noch ein bisschen umsehen?«, fragte Andreas.
Prinz betrachtete ihn von der Seite. »Glaubst du, wir könnten etwas finden, was die Spurensicherer und Kriminaltechniker übersehen haben? Wenn bei der Polizei einer was kann, dann die.« Er wollte so schnell wie möglich weg von diesem Ort, an dem eine Frau wegen seiner Entscheidung grausam ermordet worden war.
Sie brauchten nur wenige Minuten bis zu dem Haus, in dem das Opfer gewohnt hatte. Ein schönes renoviertes Fachwerkhaus, aber es sah nicht über Gebühr nach Geld aus. Andreas klingelte, doch es war niemand da, die vier Kinder waren wohl bei ihren Vätern oder anderen Verwandten. Prinz und Desirée waren sehr erleichtert.
Sie fuhren an dem Parkplatz beim Eulenturm vorbei und hielten nach der Kreuzung auf der Bundesstraße.
»Das ist das Haus, in dem der Zeuge wohnt.« Björn Spohr zeigte darauf. »Der kleine Daihatsu kam die Straße entlang und fuhr geradeaus weiter.«
»Der kürzeste Weg zur Autobahn«, sagte Desirée. »Zu dem Schrebergarten kann man entweder links oder rechts fahren.«
Ollie fotografierte. »Wollen wir mit ihm reden?«
Andreas sah Prinz an. »Überflüssig, schätze ich. Er wird uns nichts anderes erzählen als der Polizei. Nur ein Mann drin.«
Prinz nickte. »Baginski, wie er nach Hause fuhr. Allein im Auto, nachdem er sie nach Hause gebracht hat. Damit lässt sich doch schon mal was anfangen.«
»Siehst du«, sagte Andreas. »Es ist immer gut, sich die Örtlichkeiten anzusehen.«
»Nicht ganz bis nach Hause«, merkte Desirée an. »Er hat sie hier irgendwo abgesetzt, damit niemand sieht, von wem sie sich verabschiedet.«
»Und auf dem kurzen Fußweg«, sagte Andreas, »haben sie sie sich geschnappt, ohne dass das jemand mitgekriegt hat. Wie konnten sie sicher sein, dass auch da niemand zufällig gerade aus einem dunklen Fenster guckt, den sie nicht bemerken konnten? Auf dem Weg gibt es keine einzige unbebaute Stelle.«
Prinz nickte. »Konnten sie nicht. Weißt du, wie ich das gemacht hätte? Ich hätte den gleichen Wagen mit den gleichen Nummernschildern benutzt. Wahrscheinlich waren es zwei, aber nur einer stieg aus, stopfte ihr ein Tuch oder so in den Mund und zerrte sie in den Wagen. Einer, der ungefähr Baginskis Statur hat und ähnliche Klamotten trug.«
Als sie den Steinweg hoch zum Krankenhaus zwischen dem Ottoneum und dem Staatstheater auf der einen, dem Museum Fridericianum auf der anderen Seite hindurchfuhren, blickte Desirée nach rechts. Auf dem Friedrichsplatz war ein schwarz-gelb gestreiftes Zirkuszelt aufgebaut: FlicFlac, das Festival der besten Artisten, von Mitte Dezember bis Anfang Januar seit Jahren Tradition in Kassel. Von überall her strömten Menschen in die zentral gelegene Stadt,
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