Der schlaue Pate
nicht.«
Herbert Viehmann wandte sich an seinen Sohn. »Das bringt uns zur Frage des zeitlichen Ablaufs. Wurde schon über Termine gesprochen?«
Andreas nickte. »Die Staatsanwälte aus Frankfurt haben ja keine anderen Fälle. Richterin Schäfer möchte diese Sache möglichst bis zum Beginn der documenta am 9. Juni abschließen, sofern die Gutachten rechtzeitig eintreffen. Die Rede ist von einem angestrebten Prozessbeginn vor Ostern, also in der ersten Aprilwoche.«
Normalerweise dauerte es von der Verhaftung des Tatverdächtigen bis zum Prozessbeginn mindestens ein halbes, manchmal mehr als ein ganzes Jahr, da andere Staatsanwälte immer viele Verfahren gleichzeitig bearbeiten mussten.
»Gut, das gibt Ihnen höchstens zwei Monate, Herr Professor.«
Ein paar Tage später kam ein Brief eines Anwalts namens Beat Rominger aus Zürich, adressiert an das Gut Holdorf, zu Händen Katharina Tews. Prinz musste grinsen.
Katharina hatte lange geschlafen und offensichtlich gerade geduscht. Prinz hörte sie im zweiten der beiden Badezimmer seines Wohnbereichs über dem Salon im Herrenhaus summen. Auf sein Klopfen zwitscherte sie fröhlich »Herein«. In einen Bademantel gehüllt stand sie vor dem Spiegel, lächelte glücklich, wollte in seine Arme fliegen – und begann zu zittern, als Prinz ihr den Brief zeigte.
»Sie wissen, dass ich hier bin«, hauchte sie, wurde bleich und starrte ihn an. Dann kreischte sie das noch dreimal, während Prinz entnervt an die Decke guckte.
»Nun sieh doch erst mal nach, was drinsteht«, sagte er, ziemlich laut, um sie zu übertönen. Sonst sprach er fast immer so leise, dass man sich konzentrieren musste, um ihn zu verstehen. Aber mit dieser Frau redete er in letzter Zeit öfter laut.
Sie bedeckte die Augen mit beiden Händen und wandte sich ab. »Ich kann nicht.« Jetzt hatte sie keine Stimme mehr. »Mach du ihn auf.«
Prinz seufzte gottergeben und riss den Umschlag auf. Als er die drei Blätter entfaltete, fiel ein beigelegter kleiner Zettel auf den gekachelten Boden. Katharina sah immer noch nicht hin und schien die Atmung eingestellt zu haben. Er hob den Zettel auf und bemerkte, das jemand mit Bleistift einen einzigen Satz darauf geschrieben hatte, einmal in lateinischen, einmal in kyrillischen Buchstaben. Prinz konnte ein Grinsen nicht unterdrücken: das erste Rauchzeichen des schlauen Paten.
»Gute Nachrichten«, meinte er so beiläufig wie möglich.
Katharina nahm die Hände weg und glotzte ihn großäugig an.
»Auf diesem Zettel steht: ›Katharina Tews ist nicht in Gefahr.‹« Er reichte ihn ihr. »Ich nehme an, auf Russisch steht das Gleiche noch mal da.« Sie nickte. »Und das hier sind ein Anschreiben und zwei bloß aus einer Seite bestehende Verträge. Boris Tews hat einen Käufer, der eine Million Euro für eure Villa bezahlen will. Wenn du diesen Vertrag unterschreibst, kriegst du die Hälfte davon. Mit dem anderen willigst du in eine Scheidung ein und stellst keine weiteren Ansprüche.«
Sie glotzte auf die beiden Verträge herab, die er ihr gab, schien aber nicht zu lesen, gar nichts wahrnehmen zu können. »Eine halbe Million«, hauchte sie.
»Wenn du willst, kann ich dir eine ganz legale Anlagemöglichkeit vermitteln, die mindestens fünf Prozent bringt. Fünfundzwanzigtausend im Jahr sind nicht gerade viel, aber mit gut zweitausend im Monat kannst du dir eine nette kleine Wohnung irgendwo mieten und sorgenfrei leben, wenn du ein bisschen knauserst.« Er hob die Schultern. »Oder du kannst die halbe Million auf den Kopf hauen und dann zusehen, wo du neues Geld herkriegst.«
Sie ließ die Papiere sinken. »Du willst mich loswerden.« Immer noch ohne Stimme.
»Ja«, sagte er kühl.
»Das habe ich schon die ganze Zeit gespürt …«
Und dann fing sie an zu schluchzen. Die Blätter glitten auf die Kacheln. Sie sank auf die Knie und steigerte sich in einen regelrechten Weinkrampf hinein.
»Kitty«, sagte er sanft, ging in die Hocke und nahm sie ungelenk in die Arme. Sie wollte, dass er sie so nannte. Bei manchen Gelegenheiten erfüllte er ihr den Wunsch.
»Warum?«, heulte sie. »Warum?«
»Kitty«, wiederholte er. »Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich keine Beziehung mehr haben will.«
»Warum? Warum?«
»Weil ich damit fertig bin. Und warum, das habe ich dir auch erzählt.«
Schon immer hatte er Affären mit verheirateten Frauen vorgezogen. Die konnte er zu ihren Männern zurückschicken, wenn sie zu große Ansprüche stellten oder gar
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