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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Schnell
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Baginski telefoniert, aber nur gefragt, ob und was sie von der Affäre mit Ellen Kaiser wüsste. Aber okay, die Familie und den Missbrauch können wir ebenso streichen wie ihre anderen Männer. Einwände?«
    Es gab keine.
    »Bleibt noch die Frage, ob die Richterin das Opfer kennt. Die Brüder sagten, natürlich wusste Ellen Kaiser von Heike Schäfers Existenz und umgekehrt, das inzwischen verkaufte Haus ihrer verstorbenen Eltern und das Anwesen der Schäfers lagen am Sonnenhang und am Brüggersberg nicht weit voneinander entfernt. Das ist ein Viertel, in dem die Neureichen in den Fünfzigern bauten. Aber Heike Schäfer ist zwölf Jahre jünger, also hatten sie kaum miteinander zu tun. Sie ist mit neunzehn zum Studium nach Marburg gegangen, dann Richterin in Offenbach, später in Frankfurt geworden, erst seit Oktober ist sie hier und wohnt wieder da. Gut möglich, dass Ellen Kaiser von Heike Schäfers Berufswahl keine Ahnung hatte. Wahrscheinlich haben sie sich seit mindestens sechzehn Jahren nicht gesehen.«
    »Gut, nächster Punkt.« Der ehemalige Minister wandte sich an Rind. »Mein lieber Herr Professor, wie weit sind Sie inzwischen?«
    Rind saugte an seiner Pfeife und hantierte mit Papieren herum. Normalerweise durfte in diesem Besprechungszimmer nicht geraucht werden, doch Herbert Viehmann hatte eine Ausnahme gemacht.
    »Nun, wir haben seine Geschichte bis zu dem Punkt, wo er auf dieses Internat kommt, hm, und Ellen Kaiser kennenlernt. Er war gerade siebzehn geworden, sie war ein halbes Jahr älter und wurde im Dezember achtzehn. Das ist also, hm, etwas mehr als dreißig Jahre her. Übrigens hatten Sie recht mit Ihrer Mutmaßung. Er erzählt mit großem Enthusiasmus von sich. Für das Gutachten habe ich jetzt schon genug. Mein Kompliment.«
    »Danke. Und was hat er für einen Hintergrund?«
    »Schwierig. Er stammt aus Dortmund, die Eltern waren sehr katholisch.« Rind begann, vorzulesen. »Er war, ich zitiere wörtlich, ›ein spät geborenes Einzelkind, ein lange Zeit heiß ersehntes Wunschkind, das sich zum Entsetzen meiner Eltern ganz anders entwickelte als gedacht‹. Der Vater hatte als Selfmademan einen schwungvollen Eisen- und Metallgroßhandel aufgebaut. Er erzählte gern dröhnend und ausgiebig von seinen Erfolgen. Die Mutter war überaus bildungsbeflissen, um ihre Unsicherheit vor allem in Gesellschaft der Unternehmerfreunde ihres Mannes zu kaschieren. Beide Eltern kamen aus der Arbeiterklasse, hatten aber ›was aus sich gemacht‹. Sie waren beide schon über vierzig, als Ewald Baginski vor siebenundvierzig, bald achtundvierzig Jahren geboren wurde.«
    »Genau wie meine«, merkte Prinz an.
    »Ja, hm, Ewald sollte, so malte es sich der Vater aus, Wirtschaft und Jura studieren und aus der wachsenden Familienfirma einmal einen Konzern machen. Aber Ewald war kein Macher, sondern ›ein Spinner, der seine Zeit mit Büchern und Fernsehen in irgendwelchen Phantasiewelten vertrödelte. Gemeinsame lange Wanderungen waren Pflicht, bei denen ich mich aus der Gegenwart verabschiedete und, völlig in anderen Welten verloren, mit den Händen herumfuchtelte. Ewald spintisiert wieder, sagte meine Mutter dann immer. Mein Vater schüttelte angewidert den Kopf.‹ Das katholische Jungengymnasium ›für die Unternehmer-, Arzt-, Beamten- und Offizierssöhne war ein Alptraum, den ich komplett von der Festplatte gelöscht habe. Nie wieder habe ich beinahe jeden Tag so viel Angst vor dem nächsten gehabt‹. Er trieb sich lieber mit anderen Jungs herum und wurde mit dreizehn zum ersten Mal beim Klauen erwischt: ›Vor dem Gesetz noch nicht straffähig, aber der alte Arsch prügelte mich windelweich.‹ So nennt er seinen Vater noch heute. Beide Eltern sind seit fast fünfundzwanzig Jahren tot, gestorben im Abstand von weniger als einem Jahr, das Unternehmen wickelte Peter Simoneit, Sohn eines Vetters mütterlicherseits, ab und legte das Geld so an, dass Ewald für den Rest seines Lebens versorgt war.« Er sah Andreas an. »Ich will gar nicht wissen, was für finanzielle Vereinbarungen Sie mit ihm getroffen haben, aber er ist gut dafür.«
    Andreas nickte. Herbert Viehmann lächelte zufrieden.
    Rind fuhr fort. »Der fünfzehn Jahre ältere entfernte Cousin war während Ewalds schwieriger Jahre eine Art väterlicher Freund, der bei den Eltern für das Problemkind eintrat. Das sitzen blieb, vom Gymnasium flog und Mitläufer einer Jugendgang wurde. ›Wir trieben uns in der offenen Drogenszene rum, die damals auf dem Platz von

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