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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Schnell
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Baginski, »hatte ich nur Augen für ein Mädchen in der Klasse über mir. Schon am ersten Tag starrte ich sie an. Ein Typ flüsterte mir ein einziges Wort ins Ohr. Er sagte: ›Penis-Mund.‹ Sie sah kurz zu uns herüber, schien aber nicht mitzukriegen, dass es um sie ging. Ihre Augen waren sehr groß und sehr blau. Ihr Gesicht war so schön, dass mich der Schlag traf. Unsere Blicke trafen sich kurz, dann sah ich weg. Etwa ein Jahr später erlebte ich den denkwürdigsten Orgasmus meines Lebens in diesem Mund.«
    Er stockte, kämpfte eine Weile mit sich, fing sich wieder. »Aber monatelang wechselte ich kein Wort mit ihr. Zu schön für dich, dachte ich. Die kriegst du eh nie. Ich bin kein sonderlich attraktiver Mann und habe mich auch nie dafür gehalten. Wenn ich glaubte, sie würde es nicht bemerken, glotzte ich sie an. ›Das merkt eine Frau sofort‹, erzählte sie mir später. ›Was hat dieser Typ eigentlich über mich gesagt?‹ Ich verriet es ihr, sie lächelte und meinte: ›Unverschämtheit.‹ Irgendwann war sie es, die mich ansprach. Ab da hingen wir viel zusammen, aber ich brachte sie nicht dazu, mit mir ins Bett zu gehen. Und sehr oft schwiegen wir einfach nur. Es schien sie nicht zu stören, wenn wir nichts sagten. Wir waren irgendwie Seelenverwandte, uns in vieler Hinsicht sehr ähnlich. Sie konnte mich unter den Tisch trinken, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich begehrte sie mit einer Urgewalt, die ich nie erlebt hatte, aber irgendetwas, eine Zerbrechlichkeit, die ich spürte oder mir einbildete, hielt mich zurück. War sie vielleicht als Kind missbraucht worden? Der Gedanke kam mir damals schon. Und drei-, viermal war plötzlich für Wochen Schluss, ohne Erklärung.«
    So ging das länger als ein halbes Jahr, bis beide nach den Sommerferien ein paar Tage früher ins Internat kamen und einen Raum für sich hatten.
    »Als wir in Unterwäsche auf dem Bett lagen, war ich zunächst so zurückhaltend, dass sie schließlich sagte: ›Tjaaah, Ewald.‹ Und dann schliefen wir miteinander. Zwei Wochen später blieb ihre Periode aus.«
    Baginski kippte den Tumbler, goss nach, füllte mit Wasser auf, zündete sich die nächste Zigarette an – und schwieg. Desirée wusste nicht, was sie sagen sollte, und blickte zu Professor Rind, der seine Pfeife stopfte, anzündete und paffte.
    »Sie haben nicht, hm, verhütet?«, fragte er schließlich. »Vor neunundzwanzig Jahren gab es doch schon, hm …?« Bei diesen Interviews vollendete er oft seine Bemerkungen nicht, sondern ließ sie mit einem »Hm« ausklingen.
    Baginski schüttelte den Kopf. »Aids war noch kein Thema, eine Sache, die nur die Schwulen anging. Aber Sie haben vollkommen recht«, wandte er sich an Desirée, die gar nichts gesagt hatte. »Ich war das Schwein. Kaum brachte sie mir zum ersten Mal Vertrauen entgegen, hatte ich nichts anderes im Sinn, als endlich zum Schuss zu kommen. Womöglich spielten ihre Hormone verrückt, es muss ja zwangsläufig einer dieser empfängnisbereiten Tage gewesen sein. Jedenfalls hat keiner von uns an Verhütung gedacht. Danach stieß sie mich wieder zurück, und ich zermarterte mir das Hirn, was ich Falsches gesagt oder getan haben könnte. Irgendwann hockten wir doch mal in meinem Zimmer zusammen. Sie hatte ein todernstes Gesicht, druckste ziemlich lange herum, bis es raus war.
    ›Bist du sicher?‹
    ›Ich war noch nicht beim Arzt, aber ich weiß es irgendwie.‹
    Ich rauchte Kette und brachte kein Wort heraus. Das war überhaupt nicht vorgesehen. Außerdem wollte ich nie Kinder, wegen meiner scheußlichen Kindheit. Ihre Augen ruhten mit dieser Intensität auf mir. Dann nickte sie finster, stand auf und ging ohne ein Wort, und ich war wieder Luft für sie. Irgendwann schaffte ich es, sie allein abzupassen. ›Hey!‹, schrie ich. ›Du kriegst ein Kind von mir! Lass uns darüber reden, was wir jetzt machen!‹ Wir gingen in ihr Zimmer, die beiden anderen waren nicht da. ›Es ist garantiert von mir?‹ Sie schwieg. ›Okay. Wenn du willst, kriegen wir es.‹
    Darüber dachte sie lange nach. ›Und wenn ich es nicht will?‹
    ›Dann lassen wir es wegmachen. Die Kohle kann ich besorgen, wenn deine Eltern nichts erfahren sollen.‹
    ›Woher?‹
    ›Von meinen Eltern. Die erwarten sowieso nur das Schlimmste.‹ Sie rutschte von dem Sofa und umarmte mich und weinte. Es war erst Nachmittag, für Fall A musste sie gesund leben, also feierten wir unsere Übereinkunft mit Riesenportionen in einer Eisdiele. Sie ging aufs Klo,

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